Offener Unterricht und Offene pädagogische Arbeit
Offener Unterricht ist keine Methode an sich. Er stellt vielmehr einen Ansatz dar, der sich diversen Methoden bedient und sich gut für inklusive pädagogische Arbeit eignet. „Offen“ meint dabei nicht „offen für alles“, sondern die Orientierung an gegenüber dem Frontalunterricht öffnenden Methoden. Diese Öffnung kann unterschiedlich weit ausfallen und bringt eine veränderte Beziehungsstruktur zwischen Lehrer und Schüler, einen veränderten Lernbegriff sowie eine veränderte Lernorganisation mit sich.
Prinzipien aus der Reformpädagogik
Möglichkeiten
Dewey: Lernen durch Handeln
Freinet: Den Kindern das Wort geben
Montessori: Hilf mir, es selbst zu tun!
Petersen: Schule als Lebensgemeinschaft
Dimensionen des Offenen Lernens nach Falko Peschel
Pädagoge Falko Peschel gilt als Pionier des Offenen Unterrichts und plädiert in seinem Ansatz für eine weit reichende Eigenständigkeit der Schüler. Er unterscheidet fünf Dimensionen, anhand derer sich sämtliche Lern- und Arbeitsformen in ihrer Offenheit und in der Selbstständigkeit der Schüler vergleichen lassen und in die sich der eigene Unterricht einordnen lässt.
Je nachdem, wie weit der Unterricht geöffnet ist, übernehmen entweder Lernmaterial und Lernaufgabe die Rolle des Lehrenden oder aber die Schüler steuern ihr Lernen komplett selbst.
Bekannt wurde Peschel durch ein „Experiment“, bei dem er eine Klasse vier Jahre lang durch die Grundschulzeit führte, ohne sie im herkömmlichen Sinne zu unterrichten. Seine Dissertation „Offener Unterricht – Idee, Realität, Perspektive und ein praxiserprobtes Konzept zur Diskussion“ aus dem Jahr 2002 machte das Unterrichtsprinzip für die Erziehungswissenschaft greifbarer.
Die fünf Dimensionen im Überblick
Organisatorische Offenheit
Methodische Offenheit
Inhaltliche Offenheit
Soziale Offenheit
Persönliche Offenheit
Ideal jedes geöffneten Unterrichts bildet jedoch das entdeckende, problemlösende, handlungsorientierte und selbst verantwortete Lernen. Bei der nachfolgenden Auswahl entsprechender Arbeitsmethoden sind exemplarisch die Grade organisatorischer, methodischer und inhaltlicher Öffnung angegeben.
Vier Methoden
- Schriftliche Anleitung beschreibt Arbeitsaufträge des Lernenden
- Pflichtaufgaben und Wahlaufgaben
- Frei: Arbeitstempo, Reihenfolge der Bearbeitung, Ort und ggf. Sozialform, Umfang der erwünschten Hilfen und freiwilligen Aufgaben
- Lehrer als Berater und Helfer
- Kontrolle teils selbstständig, teils über Lehrperson
Organisatorische Offenheit
mittel
Methodische Offenheit
schwach
schwach
- Lernumwelt, in der den Schülern vielfältige Angebote und Materialien für Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit bereitstehen.
- Viele freiwillige und wenige obligatorische Angebote
- Lehrer als Berater, Moderator und Helfer
Organisatorische Offenheit
hoch
Methodische Offenheit
mittel
Inhaltliche Offenheit
schwach
- Auswahl durch den Lerner aus einer vorbereiteten Materialsammlung, selbständige Arbeit daran nach vorgegebenen Arbeitsanleitungen
- Frei: Aufgaben, Fach, Arbeitstempo, Sozialform und Arbeitsort
- Lehrer als Berater
- Selbstständige Kontrolle der Lösungen
Organisatorische Offenheit
hoch
Methodische Offenheit
mittel
Inhaltliche Offenheit
mittel
- Ziel: Kompetenzgewinn durch engagierte Auseinandersetzung mit einer Sache, Handlungsbefähigung
- Schüler überlegen ein Thema, dessen Bearbeitung gemeinsam geplant und durchgeführt wird.
- Abschließend Reflektion und Beurteilung des Prozesses bzw. dessen Ergebnis
Organisatorische Offenheit
hoch
Methodische Offenheit
hoch
Inhaltliche Offenheit
mittel
In offenen Unterrichtsmethoden kommen auch Kooperatives Lernen und Lernen durch Lehren vor. Ersteres stellt Eigenaktivität und Kooperation zwischen den Schülern im Unterricht in den Mittelpunkt: Sie unterstützen sich gegenseitig bei der Aufgabe und gelangen in Partner- oder Gruppenarbeit gemeinsam zu Ergebnissen. Beim Lernen durch Lehren vermitteln sich die Schüler gegenseitig die Inhalte.
Eine detaillierte Übersicht offener Unterrichtsmethoden nach Peschel finden Sie im Methodenpool der Universität zu Köln ab Seite 18. Weitere, im Grad der Offenheit weniger ausgeprägte Formen listen Susanne Lin-Klitzing und Melanie Katja Stumpf auf den Seiter der Zentrale für Unterrichtsmedien auf.
Prinzipien des Offenen Arbeitens
Offener Unterricht zeichnet sich also insgesamt durch folgende Merkmale aus:
Schülerzentrierung
Lernende entscheiden möglichst eigenständig über ihre Arbeitsformen, Arbeitsmittel, sozialen Beziehungen und Kooperationen. Sie bestimmen Inhalte, Methoden und Unterrichtsverlauf mit. Bei Planung, Auswahl und Durchführung ihrer Aktivitäten handeln sie selbstständig.
Veränderte Lehrerrolle
Während die Schüleraktivität steigt, fährt der Lehrende seine Aktivität zurück. Er gibt Handlungsspielräume und beansprucht das Planungsmonopol nicht mehr für sich. Er orientiert sich an den Interessen, Ansprüchen, Wünschen und Fähigkeiten der Schüler und unterstützt als Lernhelfer deren Selbstorganisation.
Entdeckendes Lernen
Die aktive Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand durch problemorientierte Aufgaben bildet das methodische Grundprinzip Offenen Unterrichts.
Eigene Methoden
Verschiedene Unterrichtsformen wie Freiarbeit, Wochenplan oder Projektunterricht fördern das selbstverantwortliche Lernen und Arbeiten. Kooperatives Arbeiten oder Lernen durch Lehren stärken das soziale Miteinander unter den Schülern.
Grenzen des Offenen Unterrichts
Den Frontalunterricht abgelöst hat Offener Unterricht bislang nicht. In der Praxis tritt er meist gemischt mit anderen Methoden auf. Denn nicht immer ist eine offene Unterrichtsgestaltung die beste Wahl:
- Verglichen mit lehrerzentriertem Klassenunterricht kann Offenes Arbeiten Schwächen beim Kenntniserwerb mit sich bringen. Vorteilhaft ist er hingegen dort, wo es um Motivation, Selbststeuerung und Teamfähigkeit geht.
- Entsprechend profitieren vor allem gut motivierte, selbstsichere und leistungsstarke Schüler von offenen Unterrichtsformen. Schlecht motivierte, ängstliche oder lernschwache Schüler können sich überfordert fühlen und benötigen oft einen enger geführten Unterricht.
- Die größten Hindernisse gibt es bei der Umsetzung Offenen Unterrichts. Sie kann erschwert werden durch
- Heterogenität: Lehrer und Lernende bzw. Lernende untereinander unterscheiden sich zu stark in Alter, Lebenserfahrungen und Sprachkompetenz.
- Schulsystem: Das Erreichen vorgeschriebener Leistungsstandards sowie Stofffülle versperren für Offenes Lernen nötige Freiräume. Bei kooperativen Arbeitsformen gestaltet sich die Notengebung teilweise schwierig.
- Mangelnde räumliche Möglichkeiten: Gerade für offenere Lernmethoden ist es wichtig, genügend Platz zur Verfügung zu haben. Nicht jede Schule kann diesen aufbringen.
- fachbezogenen Unterricht: Der Stundenplan verhindert oder erschwert es, offene Arbeitsformen über mehrere Unterrichtsstunden und/oder Fächer hinweg zu etablieren.
- Längere Planung und Vorbereitung: Offener Unterricht und Offene Arbeit fallen auf Lehrerseite zeitintensiver aus und erfordern mehr Material.
Starten mit dem Offenen Unterricht
Weiterführende Links
Deutscher Bildungsserver
Zentraler Wegweiser durch das Bildungssystem in Deutschland. Das Portal bietet viele umfassende Informationen. Unter anderem zu Offenem Unterricht, Kooperativem Lernen oder Lernen durch Lehren.
www.bildungsserver.de
Inklusion und Offener Unterricht
Im Fokus der Masterarbeit "Inklusion und Offener Unterricht" steht der Ansatz Peschels. Abschnitt 3.3 betrachtet das Konzept hinsichtlich Inklusion.
www.bidok.at
ZUM-Unterrichten
Offene, nicht-kommerzielle Plattform für Unterrichtsmaterialien und Unterrichtsideen. Hier finden sich viele Impulse für Offenen Unterricht.
www.unterichten.zum.de