Multiprofessionelles Team in der Schule
Potentiale einer multiprofessionellen Zusammenarbeit
Nicht selten begegnen Lehrkräfte dem Arbeiten in multiprofessionellen Teams mit Vorbehalten, denn das bedeutet zunächst Umstellung althergebrachter Prozesse und Strukturen. Das kann Unbehagen und Verunsicherung auslösen. Das ist auch verständlich, denn für die Lehrkräfte bedeutet es oft nicht nur eine Veränderung der Arbeitsprozesse, sondern vielleicht auch der Selbstwahrnehmung. Sie fürchten, die Kontrolle über den Unterricht zu verlieren oder geben nur ungern Verantwortung ab, weil sie dies als Kompetenzverlust wahrnehmen. Diesen Bedenken stehen die klaren Vorteile dieser Arbeitsweise gegenüber, denn das Teamteaching hat viele Vorteile für Lehrer*innen.
Welche Vorteile hat die Teamarbeit für Lehrkräfte?
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Teilen der Verantwortung
Die Lehrkraft ist nicht mehr allein für die Klasse und den Unterricht verantwortlich. Das ist nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine emotionale Entlastung. -
Nutzung unterschiedlicher Sichtweisen und Stärken
Eine andere Person bringt auch eine andere Perspektive in den Unterricht ein. Außerdem hat diese vielleicht andere Stärken in der Vermittlung des Lehrstoffes, vom dem die Schüler*innen profitieren können. -
Ergänzung fehlender Fachkompetenz
Lehrer*innen können nicht immer alles wissen. Darum können Kolleg*innen aus unterschiedlichen Berufsgruppen ihre Kompetenzen einbringen und den Lehrstoff wertvoll ergänzen. -
Von Kolleg*innen lernen
Lehrkräfte können von Teamkolleg*innen, die andere Fähigkeiten und Kompetenzen mitbringen, dazu lernen. -
Austausch mit Kolleg*innen
Im Team kann man sich besser austauschen, Ideen entwickeln oder Probleme besprechen. Es entstehen Synergieeffekte, die die Lehrkraft für ihren Unterricht nutzen kann. -
Zeit für schwächere Schüler*innen
Die Arbeit im Team hat den Vorteil, dass sich ein* Lehrer*in mit Schüler*innen befassen kann, die mehr Aufmerksamkeit brauchen. Währenddessen kann der*die Kolleg*in den Unterricht weiterführen. -
Vertretung
Fällt eine Lehrkraft aus, kann der Unterricht dennoch weitergehen.
Voraussetzungen
Welche Voraussetzungen sind notwendig, damit die Zusammenarbeit gut funktioniert? Was kann eine Schule tun, um diese Voraussetzungen zu schaffen?
Um multiprofessionelle Arbeiten an der einen Schule umzusetzen, bedarf es Veränderungswillen. Ist diese Voraussetzung gegeben, kann es an die Umsetzung gehen. Natürlich sind nicht in jeder Schule die Gegebenheiten gleich und es ist ratsam, diese erst zu prüfen, bevor es an die Planungen geht. Dennoch gibt es gewisse Voraussetzungen, deren Einhaltung bei der Umsetzung helfen.
Ein wichtiger Punkt hierbei ist die Arbeitsgestaltung im Team. Lehrkräfte, die mit verschiedenen Berufsgruppen zusammenarbeiten sollten dies auf Augenhöhe tun. Das bedeutet, dass sie nicht allein die Richtung vorgeben und der Gegenüber muss folgen. Vielmehr geht es darum, die einzelnen Teammitglieder als Kollegen wahrzunehmen und sie auch als solche zu behandeln. Das hat beispielsweise auch Konsequenzen für die Unterrichtsplanung und -leitung, die nun nicht mehr allein durch den Lehrer erfolgt, sondern zu einer Gemeinschaftsleistung der verschiedenen Teammitglieder wird.
Die Planung des Unterrichts, die Ausführung und auch die im und um den Unterricht anfallenden Probleme werden im Team besprochen, entschieden und umgesetzt. Dabei soll jede Profession ihre eigenen unterschiedlichen Sichtweisen, Stärken und Kompetenzen einbringen. Die daraus entstehenden Synergieeffekte nutzen dem gesamten Team sowie den Schülern.
Rahmenbedingungen für multiprofessionelles Arbeiten
Eine Voraussetzung, damit die Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen funktioniert, ist berufsbezogenes Vertrauen und Wertschätzung. Allerdings ist dies nicht automatisch vorhanden, sondern muss in der Regel erarbeitet werden. Vertrauen lässt sich beispielsweise über den gemeinsamen Austausch herstellen. In multiprofessionellen Teams arbeiten Berufsgruppen zusammen, die jeweils eine eigene Ausbildung, eigene Fachsprachen und ein eigenes Selbstverständnis haben. Multiprofessionelle Team sollten über ihre unterschiedlichen Rollen und die damit verbundenen pädagogischen Leitbilder sprechen.
Oft zeigt sich, dass die Berufsgruppen verschiedene Positionen innerhalb der Schule innehaben. So sind Lehrer meist verbeamtet, während Sozialpädagogen häufig mit Zeitverträgen angestellt sind. Das erschwert oft die Zusammenarbeit, weil Sozialarbeiter nicht genug Stunden zur Verfügung haben, um die anfallende Arbeit zu leisten. Das kann zu unterschiedlichen Zielen und Erwartungen führen. Diese sollten formuliert und diskutiert werden. Anschießend sollte man sich auf eine realistische Aufgaben- und Arbeitsverteilung einigen.
Ein gutes Mittel, um Vertrauen und gegenseitige Wertschätzung zu schaffen, sind gemeinsame Fortbildungen. Dabei kann zum Beispiel ein gemeinsames Leitbild erarbeitet werden, was bei der Teambildung hilft. An dieser Stelle ist es auch sinnvoll, die Beschäftigten aus der Ganztagsbetreuung einzubinden. Das schafft eine gemeinsame Identifikation. Wichtig wäre auch, Maßnahmen zur Teamentwicklung zu ergreifen und Betroffene frühzeitig „an einen Tisch zu holen“. Um das Zusammenwachsen eines Teams zu fördern, sind auch gemeinsame Ausflüge oder Feste hilfreich.
Das Arbeiten in multiprofessionellen Teams setzt nicht selten voraus, die innere Haltung zu ändern. Alte Rollenmodelle, wie das des Lehrers als Einzelkämpfers, gelten nicht mehr. Die eigene Arbeit wird in der Zusammenarbeit mit den Kollegen transparenter und das kann auch zu negativen Rückmeldungen vom Teampartner führen. Grundsätzlich aber erfordert die Teamarbeit ein Mehr an Kommunikation, die auf gegenseitigem Respekt und der Anerkennung anderer Sichtweisen fußt. Gerade zu Beginn einer Teambildung, wenn noch nicht alle Abläufe eingespielt sind, kann es einen gesteigerten Gesprächsbedarf geben. Dem sollte man Rechnung tragen und, wenn nötig, häufige Besprechungen einplanen. Wichtig ist auch, sich darüber klar zu sein, dass eine Umstellung auf das multiprofessionelle Arbeiten nicht ohne Konflikte ablaufen kann. Diese können jedoch positiv genutzt werden, indem man sie zulässt und nach konstruktiven Lösungen sucht.
Die Leitung eines multiprofessionellen Teams muss für diese Form der Zusammenarbeit sogenannte psychologische Sicherheit herstellen. Darunter versteht man eine Atmosphäre des beruflichen Vertrauens. Die Teammitglieder fühlen sich in ihrer professionellen Rolle in der Gruppe angenommen, auch wenn sie inhaltlich Feedback geben und beispielsweise Kritik üben. Ein Schlüssel dazu ist u.a. der respektvolle Umgang miteinander. Um diesen für alle verbindlich einzuführen, kann man gemeinsam Regeln festlegen, die für die gesamte Gruppe gelten. Die Schulleitung sollte außerdem dafür Sorge tragen, dass niemand berufliche Nachteile fürchten muss, wenn er Strukturen infrage stellt oder etwas kritisiert.
Laut wissenschaftlichen Untersuchungen benötigen Mitarbeiter umso mehr psychologische Sicherheit, je mehr sich um sie herum verändert. Demnach ist das Gefühl, angenommen zu werden, für die Teammitglieder gerade dann besonders wichtig, wenn Schulen sich entschließen, bestehende Strukturen zu ändern und multiprofessionelle Teams einzuführen. Daher ist es empfehlenswert, Maßnahmen zur Vertrauensbildung wie die Festlegung von Regeln für das Miteinander, gemeinsame Aktivitäten zur Unterstützung der Gruppenbildung möglichst frühzeitig anzugehen.
Die Schulleitung setzt wichtige Rahmenbedingung zur Etablierung multiprofessioneller Teams. Dazu gehören auch organisatorische Belange wie die Bereitstellung von Räumlichkeiten zum Abhalten von Besprechungen oder Fortbildungen und die Einrichtung von festgelegten Zeitfenstern für gemeinsame Besprechungen und Konferenzen. Auch darüber drückt sich Wertschätzung aus. Die Schulleitung hat darüber hinaus eine Vorbildfunktion, wenn sie beispielsweise selbst als Team arbeitet.
Mögliche Team-Partner*innen von Lehrkräften
Sozialarbeiter*innen sind Ansprechpartner bei Problemen in der Schule für Schüler, Eltern und Lehrkräfte. Sie können Themen im Unterricht übernehmen und animieren zu einer sinnvollen Freizeitgestaltung.
Schulpsycholog*innen sind hilfreiche Partner bei der Betreuung von Schülern, die beispielsweise auffälliges Verhalten im Unterricht zeigen. Weiterhin kann auch die Integration geflüchteter Kinder, die Trauma-Erfahrungen gemacht haben und anderer Kinder mit Migrationshintergrund für die Zusammenarbeit mit Schulpsychologinnen und Schulpsychologen sinnvoll sein.
In den Schulen spielt die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund eine große Rolle. Darum können auch Integrationshelferinnen und Integrationshelfer Teil eines multiprofessionellen Teams sein.
Es gibt auch Schulen, an denen Schulkrankenschwestern und Schulkrankenpfleger arbeiten. Sie können einen wertvollen Beitrag leisten und das nicht nur bei der Erstversorgung von Verletzten oder Betreuung von Kindern mit Erkrankungen, sondern zum Beispiel auch bei der Präventionsarbeit.
Die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt passiert in der Regel für bestimmte Schüler, zum Beispiel bei Hilfeplangesprächen.
In Rahmen der Berufsvorbereitung besuchen Berufsberaterinnen und -berater die Schule und beraten die Schüler – falls notwendig, auch über das Ende der Schulzeit hinaus.
Unternehmensvertreter besuchen den Unterricht und informieren die Schüler zum Beispiel über Berufsbilder oder Bewerbungsverfahren oder es werden Klassen zu den Unternehmen eingeladen und erhalten vor Ort Einblicke in die Berufe.
Einbindung außerschulischer Träger
Ähnlich sollte die Vorgehensweise in der Kooperation mit einem außerschulischen Träger, zum Beispiel aus dem Ganztag, sein. Ein häufiges Problem besteht darin, dass die Schule nur wenig über deren Strukturen weiß und umgekehrt. Das erschwert die Zusammenarbeit und schürt Vorbehalte.
Multiprofessionelles Arbeiten sollte jedoch auch die außerschulischen Bereiche einbeziehen. Wieder erreicht man das über die Kommunikation auf Augenhöhe: Über das gemeinsame Planen von außerschulischen oder auch innerschulischen Angeboten, bei der die Einrichtungen ihre besonderen Fachkompetenzen einbringen und an Entscheidungsprozessen aktiv eingebunden werden und Mitbestimmungsrechte erhalten. Um die Arbeitsweise des anderen besser kennenzulernen, kann es sinnvoll sein, wechselseitig zu hospitieren. Die Einrichtung von regelmäßigen, gemeinsamen Konferenzen, in der die Meinung und Fachkompetenz der außerschulischen Einrichtungen gefragt ist, zeigt Wertschätzung und führt dazu, dass der Austausch zwischen den Teammitgliedern zu einer Selbstverständlichkeit wird.
Buchtipp
Elmar Philipp
Multiprofessionelle Teamentwicklung: Erfolgsfaktoren für die Zusammenarbeit in der Schule.