Oliver Senckpiehl: Kampf um die Wunschschule
Wegen einer Leukämieerkrankung musste unsere Tochter zudem häufig zu Nachuntersuchungen in die Universitätsklinik Eppendorf, und auch einige Therapeuten waren dort in der Nähe. Vor allem aber wollten viele Kinder aus ihrer Klasse auf diese Schule – auch die fünf anderen Kinder mit Förderbedarf aus ihrer Jahrgangsstufe. Und uns war es wichtig, dass Jule in ihrem sozialen Umfeld bleiben konnte, zumal ihr Veränderungen nicht leichtfallen.
Ablehnung durch die Schulbehörde
Auch ihre Grundschule hatte uns dabei unterstützt, und die Stadtteilschule Eppendorf hatte zugesagt, Jule aufzunehmen. Im Januar hatten wir den entsprechenden Antrag bei der Schulbehörde gestellt. Im April bekamen wir Bescheid, dass er abgelehnt wurde und dass Jule einer anderen Schwerpunktschule zugeteilt werden sollte.
Diese liegt zwar von der bloßen Entfernung her etwas näher, aber weit abseits der Orte, die für uns wichtig sind. Zudem waren Jule und ein Kind aus einer Parallelklasse die einzigen, die dieser Schule zugeteilt wurden. Wir haben dann erfahren, dass nur die Kinder mit Förderbedarf – bis auf einen Fall, wo der Bruder bereits auf die Stadtteilschule Eppendorf ging – eine Ablehnung für ihre Wunschschule bekommen hatten. Die Begründung war uns nicht klar, und wir haben Einspruch eingelegt.
Letztlich ging es wohl um Kostenersparnis, da Kinder mit Förderbedarf Anspruch auf einen Transport zur Schule haben. Wobei wir nicht vorhaben, diesen Transport jemals in Anspruch zu nehmen. Wenn Jule etwas selbstständiger wird, kann sie auch den öffentlichen Bus nutzen. Er hält bei uns quasi vor der Haustür und fährt bis zu ihrer Schule durch, was bei der anderen Schule nicht möglich wäre. Auf den Einzelfall wurde aber nicht geachtet.
Engagierte Leute im Netzwerk „Gute Inklusion“ fanden heraus, dass die Hamburger Schulbehörde behinderten Kindern etwa sechsmal so oft die Wunschschule verweigert wie anderen Kindern.
Netzwerk „Gute Inklusion“
Zuerst haben wir versucht, uns mit anderen Eltern zu vernetzen. Unter dem Titel „Gute Inklusion“ hatte sich ein Netzwerk gebildet, in dem sich viele Leute engagierten. Sie fanden heraus, dass die Hamburger Schulbehörde behinderten Kindern etwa sechsmal so oft die Wunschschule verweigert wie anderen Kindern. Uns ist aber dann die Zeit weggelaufen. Die Schule muss ja auch planen können. Deshalb haben wir einen Anwalt eingeschaltet. Er setzte ein Schreiben auf als Ergänzung zu unserem formlosen Widerspruch. Später setzte er eine Frist, bis zu der die Entscheidung gefällt werden sollte. Zwei Wochen vor den Sommerferien kam der Bescheid, dass Jule doch auf die Stadtteilschule Eppendorf darf.
Mit viel Aufwand die Ungleichbehandlung verhindert
Auf Druck des Netzwerks wurde 14 Tage später für ganz Hamburg beschlossen, dass Eltern von Kindern mit Förderbedarf sich eine der drei nächstgelegenen Schwerpunktschulen aussuchen können. Ich habe daraus gelernt, dass es wichtig ist, sich zu vernetzen. Einen Anwalt muss man sich leisten können, das muss man auch ganz klar sagen. Aber es war natürlich ein gutes Gefühl, sich wehren zu können und letztendlich doch Recht zu bekommen. Dennoch bleibt am Ende ein bitterer Beigeschmack, dass man so einen hohen Aufwand betreiben muss, um eine offensichtliche Ungleichbehandlung seines Kindes zu verhindern.“