Kooperationen: Gemeinsame Sache
Wenn Schulen mit externen Partnern kooperieren
Welche Kooperationen gibt es an Ihrer Schule?
Da gibt es durchaus sehr klassische Felder rund um Sport, Kunst und Musik. Auf diese drei Hauptbereiche legen wir als Schule auf jeden Fall einen Fokus. Deshalb gehören bei uns Kooperationen mit Sportvereinen oder mit Bewegungskünsten – wie die AG einer Zirkusschule – unbedingt dazu. Das hat auch damit zu tun, dass die Kinder, wenn sie AGs wählen, alles rund um das Thema Bewegung immer als Allererstes anwählen. Die Mädchen und Jungen haben also eine ganz klare Botschaft: Wir haben lange genug am Tisch gesessen. Wenn es zusätzliche Angebote gibt, möchten wir uns bewegen und aktiv sein.
Welche Rolle spielen Wünsche Ihrer Schüler bei der Auswahl der Kooperationen?
Als Schulleiterin leite ich den Schülerinnen- und Schülerrat. Dort frage ich immer auch: Welche AGs möchtet Ihr denn mal machen? Auf welche Angebote von externen Kooperationspartnern habt Ihr Lust? Da bekommen wir sehr viele tolle Rückmeldungen, die wir so weit wie möglich berücksichtigen. Das ist für mich auch eine gute Art, Partizipation an der Schule zu betreiben. Wir fragen das jedes Halbjahr neu ab und die Kinder tun das Gleiche als Vertretung in ihren Klassen. Deshalb ist es auch gut möglich, dass im nächsten Halbjahr ein Projekt ganz neu entsteht. So ist bei uns zum Beispiel das Projekt „Naturforscher“ entstanden. Das machen wir gemeinsam mit dem NABU. Dazu ist es nur gekommen, weil die Kinder gerne im Schulgarten arbeiten wollten. Das hatten wir Lehrkräfte gar nicht auf dem Schirm, aber der Wunsch der Kinder war da. Und dann müssen wir so ein Bedürfnis natürlich ernst nehmen und versuchen, das umzusetzen.
Die Stadt stellt Gelder für Kooperationen bereit
Wie funktionieren die Kooperationen ganz konkret im Schulalltag?
Grundsätzlich ist es so, dass die Angebote der Kooperationspartner ergänzend sind. Das gilt sowohl im Vormittags- und Nachmittagsbereich, aber auch im AG-Band. Neben den AGs ist es uns sehr wichtig, dass die Kinder an der Schule außer uns Lehrkräften kontinuierlich Bezugspersonen haben, die für sie da sind. Zusätzlich können die Schüler ein- bis zweimal in der Woche Extraangebote externer Kooperationspartner wählen. Als eine Schule für alle Kinder haben wir mit dieser Kombination sehr gute Erfahrungen gemacht.
Wie finden Sie geeignete Partner, die auch das Thema Inklusion berücksichtigen?
Die Zusammenarbeit fällt natürlich nicht vom Himmel. Wir schauen immer, wer in unserem Viertel oder in der Stadt bereits etwas Spannendes anbietet – wer zu uns passt und wo eine Kooperation inhaltlich Sinn macht. Wir netzwerken in Oldenburg viel, sprechen mögliche Partner gezielt an und sind offen für Anfragen. Es ist wichtig die Kontakte zu pflegen und im Gespräch mit den Protagonisten vor Ort zu bleiben. Vieles ergibt sich auch aus den Wünschen der Kinder. Manchmal kommen neue Themen auf und dafür suchen wir dann Experten, die dazu mit den Kindern arbeiten können.
Für die Grundschulen gibt es mehr Rechtssicherheit aber auch eine Planungssicherheit, um den Ganztag langfristig zu finanzieren. Die finanzielle Förderung für das Personal des Ganztages bekommen die Schulen einerseits vom Land Niedersachsen. Die Stadt Oldenburg stellt Schulen und ihren Kooperationspartnern aber noch Extra-Budgets zu Verfügung.
Finanzielle Unsicherheiten für die Schulen und ihre Partner gibt es deshalb nicht mehr wie noch in den Jahren zuvor. Die Schulen können für ihre Kooperationen Geld für pädagogisches Personal, Unterstützung bei der Organisation oder Leitung und Koordination anfordern. Das gilt für Angebote aus Kultur, Sport und Freizeit. Außerdem gibt es bei der Stadt Budgets für Sachkosten, Fortbildung, Qualitätsentwicklung und für Verwaltung. Ähnliche Projekte und Konzepte zur kooperativen Ganztagsbildung gibt es beispielsweise in Bayern.
Und wie sorgen Sie dann dafür, dass die AGs der außerschulischen Partner in Ihrem Sinne laufen?
Man kann sicherlich nicht einfach Kinder in eine AG schicken und dann klappt alles bestens. In der Regel ist es so, dass wir am Anfang ein Einführungsgespräch mit den potenziellen Kooperationspartnern haben. Ich zeige die Räumlichkeiten, man lernt sich ein bisschen kennen. Ich berichte auch ganz bewusst immer, welche Kinder in unserem Stadtteil zur Schule gehen. Kinder, die ganz unterschiedliche Bedürfnisse haben. In der Regel ist es so, dass die ersten ein, zwei Termine einer AG auch durch Personal von uns begleitet werden. Danach ist das ganz oft quasi ein Selbstläufer. Die AGs sollen Angebote für alle Kinder sein – unabhängig von ihren Fähigkeiten oder Förderbedarfen. Unsere Zirkus-AG ist dafür ein gutes Beispiel. Denn die verschiedenen Bewegungsformen im Zirkus eignen sich besonders, differenzierte Angebote zu machen. Es ist ganz also ganz natürlich, dass es Übungen mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad gibt. Es liegt also in der Natur des Angebots, dass sehr gut und individuell auf einzelne Kinder eingegangen werden kann.
Aber damit ist es doch vermutlich nicht immer getan. Welchen Mehraufwand müssen Sie für Kinder mit Förderbedarf betreiben?
Kinder mit besonderen Beeinträchtigungen oder Verhaltensauffälligkeiten brauchen mitunter in der Tat noch mehr Unterstützung, als dies vielleicht sonst in einer AG möglich ist. Da versuchen wir personell eine Brücke zu schlagen. Zum Beispiel über unsere Schulbegleitung. Da ist das Sozialamt in der Stadt Oldenburg bereit, diese Angebote auch mit zu finanzieren. So wird Personal unterstützend zur Seite gestellt.
Aus Jugendlichen werden Coaches
In Oldenburg kooperieren die Zirkusschule Seifenblase und Gesamtschule IGS Flötenteich in dem Gemeinschaftsprojekt „Open Sunday“ und in der Zirkus-AG in der Grundschule Nadorst. Dafür werden ältere Schüler von der Zirkusschule qualifiziert und zu Coaches ausgebildet. Die Teenager bringen ihre Erfahrung aus den Bereichen Spiel, Sport, Zirkus und Theater ein. Sie leiten die Kinder in Akrobatik an, führen die Zirkusangebote und Projektaufgaben selbstständig durch und lernen, Verantwortung für Jüngere zu übernehmen und. Als Betreuerinnen und Betreuer lernen sie in der Gruppe gleichzeitig teamfähig zu sein. Sie kümmern sich um die Gerätestationen und leiten verschiedene Spiele an. Sie sind wichtige Ansprechpartner*innen für die jüngeren Kinder und lernen, mit Konflikten umzugehen und Streit zu schlichten.
Gibt es noch andere personelle Ressourcen?
Tatsächlich haben wir da eine besondere Lösung gefunden. Wir haben nämlich noch Personal, das die Kinder ganz anders wahrnehmen als Lehrer, Schulbegleiter & Co. Die Idee ist aus der Kooperation mit einer Gesamtschule – der IGS Flötenteich – entstanden. Einige der Gesamtschüler sind für unsere Kinder nämlich Coaches, Junior Coaches oder Schulsportassistentinnen. Das sind eher ihre großen Freunde und Freundinnen, die zu uns an die Schule kommen. (s. Kasten „Junior Coaches“)
Welche Vorteile bringt die Arbeit mit den Jugendlichen?
Die Jugendlichen haben eine ganz andere Beziehung zu den Kindern. Davon profitieren vor allem emotional-sozial auffällige Kinder. Die Jugendlichen sind zusätzliche Kräfte, die viel mehr Zeit für die Kinder haben, sie begleiten und ihnen zuhören. Dieser soziale Charakter ist ein wichtiger Nebeneffekt von den AGs. Kinder lernen bei AGs – gerade im Grundschulalter – nicht nur die Sportart kennen. Stattdessen ist ganz viel soziales Lernen in allen Angeboten an unserer Schule ganz natürlich mit dabei.
Soziales Lernen ist in allen Angeboten ein wesentliches Element
Wie bekommen Sie als Schulleiterin mit, was in den AGs passiert?
Es gibt verschiedene Schnittpunkte zwischen Lehrkräften und außerschulischen Pädagogen und Anbietern. Wir bleiben stets im Gespräch. Lehrkräfte werden bei Projekten von Kooperationspartnern mitunter auch eingebunden. Dann ist man als Lehrer zum Beispiel dabei, wenn eine Kunstpädagogin mit den Kindern arbeitet. Wenn eine AG stattfindet, dann rauschen die verantwortlichen Personen ja nicht einfach nur Schule rein und raus. Meine Tür ist in dieser Angebotszeit ganz bewusst immer offen. So ist immer Zeit für eine kurze Begrüßung und Austausch. Ich erfahre, was in den AGs gemacht wird und wir sprechen auch über einzelne Kinder. Manchmal halte ich auch Rücksprache mit den Klassenlehrkräften, wenn sich jemand Sorgen macht oder sich ein Kind auffällig verhält. Es ist wichtig, dass es eine hauptamtliche Person im Haus gibt, die diese Nahtfunktion erfüllt – außer den Schulbegleitungen oder den Junior Coaches.
Wenn sich andere Schulen auf den Weg machen wollen und Kooperationsangebote auf- und ausbauen wollen – welche Dinge sollten sie aus Ihrer Sicht berücksichtigen?
In der Akquise von Kooperationspartnern ist es ganz wichtig, grundsätzlich darüber zu sprechen, was der Bildungsauftrag von Grundschulschularbeit ist. Es geht eben nicht nur um die fachliche Vermittlung von Inhalten sondern immer auch um das soziale Lernen. Ich sage deshalb immer sehr ausführlich dazu, dass wir Kinder unterschiedlicher Beeinträchtigungen haben und ein sozial benachteiligter Stadtteil sind. Damit alle wissen, worauf sie sich einlassen. Man sollte die Kooperationspartner auch unterstützen, wenn sie mit einer Situation einmal besonders gefordert sind.
Gibt es dann nicht ein Kompetenzen-Gerangel?
Überhaupt nicht. Die Partner bringen ihr unterschiedliches Know-how mit ein. Und entsteht eine ganz tolle Zusammenarbeit. Man darf nicht erwarten, dass alles sofort perfekt funktioniert und eine Zusammenarbeit ohne Zutun funktioniert. Ich kann da nur empfehlen, dass man sich am Anfang Zeit nimmt, sich kennen zu lernen und auch über Haltungen spricht. Das ist ja das, was man oft nicht beibringen kann. Ich erwarte aber von den Kooperationspartnern, die bei uns sind, dass sie so offen sind und sich auf alle Kinder einlassen möchten, die ihr Angebot wählen. Anschließend kann man über Hilfssysteme, über Kooperation und Ausdruck sprechen.