Sport und Inklusion:
Viele Chancen, aber auch manche Hürden
Gemeinsamer Sport hilft, Vorurteile und Berührungsängste abzubauen und fördert Akzeptanz und Toleranz untereinander. Über den Sport erwerben Menschen außerdem Fertigkeiten, die sie auch in andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens transportieren können. Wer das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung im Freizeitbereich als selbstverständlich erlebt, trägt diese Haltung auch mit in den Alltag, die Arbeitswelt oder den Bildungssektor. Sport kann infolge zu einer positiveren Haltung zur Inklusion und zu einer Integration durch Sport beitragen.
Seit der deutschen Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahre 2009 haben Bund, Länder und Kommunen vielfältige Aktionspläne zur Umsetzung von Inklusion entwickelt. Die Strukturen des organisierten Sports bekennen sich dabei zur Inklusion und haben in den vergangenen Jahren ebenfalls Aktionspläne und Handlungsempfehlungen veröffentlicht. Dadurch haben sich die Wahrnehmung des inklusiven Sports und die Haltung vieler Menschen dem Thema Sport und Inklusion gegenüber positiv entwickelt.
Inklusion im Breitensport
Trotz dieser positiven Entwicklungen liegt der Organisationsgrad von Menschen mit Behinderung im Sport deutlich unter dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung, wie auch Professor Thomas Abel von der Deutschen Sporthochschule Köln im Interview verdeutlicht. Gemessen an ihrem Anteil an der Bevölkerung sind Menschen mit Behinderung im organisierten Sport unterrepräsentiert (2,4 Prozent <> 9,6 Prozent). Auch ist der Anteil inklusiv arbeitender Sportvereine laut Sportentwicklungsbericht des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) von 2018 mit 35 Prozent sehr gering. Sport für Menschen mit Behinderung findet also oft noch separiert statt, zum Beispiel in Werkstätten oder Behindertensportvereinen.
Der Anteil der Menschen mit Behinderung, die keinen Sport treiben, nimmt dabei sogar zu. Aktuell liegt er laut drittem Teilhabebericht der Bundesregierung bei 55 Prozent. 2017 waren es noch 46 Prozent. Bei Menschen ohne Behinderung sind es lediglich 28 Prozent. Das liegt vor allem an fehlenden ortsnahen inklusiven Sportangeboten und mangelhafter Zugänglichkeit. Das Verbandswesen des Sports bietet zwar über seine Fach-, Spitzen- und Landesverbände diverse Qualifizierungsmaßnahmen zur Umsetzung von Inklusion an. Verpflichtend sind diese jedoch nicht. Gleichzeitig zeigt sich, dass der positive Effekt des Sports auf Inklusion an Wirkung zu verlieren droht, denn: die Mitgliederzahlen in den Vereinen sinken. Immer weniger Menschen engagieren sich zudem ehrenamtlich. Eine kritische Entwicklung für den Breitensport.
Sport und Inklusion: Barrieren verhindern Teilhabe
Auch strukturelle Barrieren verhindern nach wie vor die Teilhabe. Zwar gibt es bereits viele gute Initiativen für mehr Teilhabemöglichkeiten von Fans an Sportveranstaltungen und die Zugänglichkeit von Stadien. Trotzdem sind viele Sportstätten nach wie vor nicht barrierefrei und ebenso wenig inklusiv wie die Kommunikation der Institutionen und Vereine:
Aktuell sind nur circa vier Prozent der öffentlichen Spiel-, Sport- und Freizeitflächen in Deutschland inklusiv gestaltet (vgl. Kompan Spieleinstitut 2020). Hierzu gehören Spielplätze, öffentliche Sport- und Skate-Anlagen, Bühnen oder Parks. Die Verantwortlichkeit liegt meist in öffentlicher Hand. Viele Sportanlagen sind zudem marode und entsprechen nicht den heutigen Vorgaben für barrierefreies Bauen. Der DOSB fordert in diesem Zuge ein Bundesförderprogramm für Sport-Infrastruktur. Er beziffert in seinen “10 Thesen zur Sanierung von Sportanlagen” den Sanierungsbedarf für alle Sportstätten in Deutschland auf etwa 31 Milliarden Euro.
Förderprogramme der Aktion Mensch
Menschen mit und ohne Behinderung sollen sich in der Freizeit überall begegnen – ob beim Sport oder bei kulturellen Veranstaltungen. Mit verschiedenen Förderprogrammen unterstützt die Aktion Mensch viele inklusive Projekte und Aktionen. Erfahren Sie hier mehr über die Förderprogramme.
Para-Sport im Aufwind
Während all dem verzeichnet der leistungsorientierte Para-Sport – nicht nur während der Paralympics – ein wachsendes öffentliches Interesse. Förderprogramme im Spitzensport sind dabei zunehmend auch für Para-Sportler*innen zugänglich. Prämien, zum Beispiel für Medaillen bei nationalen und internationalen Wettkämpfen, wurden angeglichen. Para-Sportler*innen werden zunehmend zu Testimonials für Unternehmen und zu Vorbildern für den Nachwuchs. Die Athlet*innen stehen dabei im positiven Sinne für die Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft. Der Sprung zum Profi, der ausschließlich von seinem Sport leben kann, ist in Deutschland im Para-Sport aber weiterhin die Ausnahme.
Fazit: Es gibt auf verschiedenen Ebenen positive Entwicklungen in Sachen Sport und Inklusion. Das trägt zu mehr Teilhabe und Inklusion im Sport bei. Das Ziel eines freien Wunsch- und Wahlrechtes für Menschen mit Behinderung im Sport ist jedoch noch nicht in Sicht. Die Herausforderungen in den Bereichen Infrastruktur, Qualifizierung, Engagement, Mobilität , Digitalisierung und auch weiterhin Haltung und Sensibilisierung sind jedoch erkannt. Ein wichtiger Schlüssel für eine erfolgreiche Entwicklung liegt in der engen Zusammenarbeit aller beteiligten Institutionen – vor allem aber im Dialog von Menschen mit und ohne Behinderung.