Das wir gewinnt
Para Radsportlerin Annika Zeyen-Giles fährt in ihrem Rollstuhl an einer jubelnden Menschmenge im Deutschen Haus Paralympics Paris 2024 entlang. Es werden Deutschlandfahnen geschwenkt. Die Rollstuhlfahrerin klatscht sich mit einem Mann ab
Para Radsportlerin Annika Zeyen-Giles fährt in ihrem Rollstuhl an einer jubelnden Menschmenge im Deutschen Haus Paralympics Paris 2024 entlang. Es werden Deutschlandfahnen geschwenkt. Die Rollstuhlfahrerin klatscht sich mit einem Mann ab
Para Radsportlerin Annika Zeyen-Giles fährt in ihrem Rollstuhl an einer jubelnden Menschmenge im Deutschen Haus Paralympics Paris 2024 entlang. Es werden Deutschlandfahnen geschwenkt. Die Rollstuhlfahrerin klatscht sich mit einem Mann ab

Studie zu den Paralympics und Inklusion 

Kann eine Veranstaltung wie die Paralympics die gesellschaftliche Wahrnehmung von Menschen mit Beeinträchtigung beeinflussen? Unsere Studie liefert Antworten.
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Die Paralympischen Spiele – eines der Großereignisse im Sport. Doch was bewirken die Paralympics über die Spiele hinaus? Können sie Inklusion und Teilhabe im Breiten- und Leistungssport gesellschaftlich in den Fokus rücken? Diese und weitere Fragen hat sich die Aktion Mensch gemeinsam mit der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen gestellt. Warum die Paralympischen Spiele sich durchaus positiv auswirken, was sich nach wie vor noch ändern muss und inwiefern die Ansichten von Athlet*innen und der Öffentlichkeit in wichtigen Punkten auseinandergehen, erfahren Sie in der Studie. 

Die Studie im Überblick

Vom 28. August bis zum 8. September 2024 stand Paris im Zeichen der paralympischen Spiele. Rund 4.400 Para-Sportler*innen aus 180 Ländern sind in 22 Sportarten in den Wettkampf gegangen. Medien erstatteten Bericht, Menschen verfolgten die Paralympischen Spiele mit Spannung am Fernseher und mehr als 2,5 Millionen besuchten die Wettkämpfe live vor Ort in Paris. Es liegt klar auf der Hand: Sport verbindet. Doch was bewirken die Spiele und was bleibt davon im Nachgang erhalten? Sind Menschen mit Beeinträchtigung und der inklusive Sport dann nach wie vor im Fokus? Hat sich die Wahrnehmung dieser Menschen und des Sports maßgeblich geändert? Dieser und weiteren Fragen sind die Aktion Mensch und die Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen unter dem Titel “Paralympische Spiele und Inklusion –  Wie die Paralympics Paris 2024 die gesellschaftliche Wahrnehmung von Menschen mit Beeinträchtigung beeinflussen” nachgegangen. 

Vor, während und nach den Paralympischen Spielen wurden repräsentative Online-Befragungen mit drei Zielgruppen durch das Sozialforschungsinstitut Ipsos durchgeführt. Befragt wurden: 

  • 143 für die Paralympischen Spiele 2024 qualifizierte Athlet*innen
  • 700 Menschen aus der Bevölkerung ab 16 Jahren (Bevölkerungspanel)
  • 300 Menschen mit Beeinträchtigung aus der Bevölkerung ab 16 Jahren (Teilhabe-Community).  

Bei der Befragung standen vor allem drei Themenbereiche im Fokus:

  • Die Wahrnehmung gesellschaftlicher Teilhabe
  • Die Paralympics und Inklusion
  • Die Paralympics und Medien 

Dabei heraus kamen wichtige Erkenntnisse, eine deutliche Innen- und Außenperspektive sowie Handlungsempfehlungen für die Zukunft. 

Die zentralen Ergebnisse: 

Unterschiedliche Innen- und Außenansicht 

Die Studie zeigt: Die Paralympics haben einen signifikanten Einfluss auf die gesellschaftliche Wahrnehmung und Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung. Über 60 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Paralympischen Spiele die Inklusion in der Gesellschaft fördern. Zudem sehen mehr als 70 Prozent der Befragten die Spiele als wichtigen Beitrag gegen Diskriminierung von Menschen mit Beeinträchtigung. Dabei trägt die erhöhte Sichtbarkeit von Para-Sportler*innen laut den Befragten dazu bei, Diskriminierung und stereotype Gesellschaftsbilder abzubauen.  

Ich wünsche mir, dass der Parabereich immer weiter in die Gesellschaft integriert wird.

Para-Sportler*in
Doch: Das sind die Meinungen der befragten Bevölkerung mit und ohne Beeinträchtigung. Während 75 Prozent dieser Befragten die Paralympics als Teil des Leistungssports anerkennen, sehen sich weniger als die Hälfte der Para-Sportler*innen selbst in dieser Rolle. Hier zeigt sich ein klarer Unterschied der Außen- und Innen-Ansicht. Weniger als ein Drittel der befragten Para-Sportler*innen sehen für Menschen mit Beeinträchtigung gleichberechtigte Teilhabechancen am Breitensport. Die Teilhabechancen am Breitensport werden sogar von allen Befragten, verglichen mit anderen gesellschaftlichen Bereichen wie etwa kulturellen Angeboten oder dem sozialen Umfeld, am schlechtesten bewertet. 

Die wichtigsten Zahlen im Überblick

62%
62% der Bevölkerung und 56% der befragten Menschen mit Beeinträchtigung sind der Meinung, dass die Paralympischen Spiele auch über den Sport hinaus die Inklusion in der Gesellschaft fördern.
29%
29% der befragten Para-Sportler*innen sehen für Menschen mit Beeinträchtigung gleichberechtigte Teilhabechancen am Breitensport.
77%
Für 77% der Bevölkerung und 82% der befragten Menschen mit Beeinträchtigung stärken die Paralympics die Wahrnehmung der Para-Athlet*innen als Leistungs-Sportler*innen.
11%
11% der befragten Para-Sportler*innen bewerten den Zugang zu Sponsoren positiv. 18 Prozent bewerten den Zugang zu Trainingsinfrastrukturen positiv.
55%
55% der befragten Menschen mit Beeinträchtigung und 52% der Bevölkerung wünschen sich eine umfangreichere Berichterstattung im Fernsehen.

Vorbilder ja, mehr Chancen nein 

Die Unterschiede zwischen Außen- und Innen-Ansicht zeigen sich auch beim Einfluss der Paralympics. Über zwei Drittel der Befragten sehen den Einfluss der Paralympics auf die Inklusion im Sport positiv. 74 Prozent betrachten Para-Sportler*innen sogar als Vorbilder für die Gesellschaft.
Porträtfoto von Christina Marx

Es ist wichtig, die positive Wirkung der Paralympischen Spiele für den inklusiven Breitensport zu nutzen und barrierefreie Sportangebote bereits für Kinder und Jugendliche zu schaffen. Nur wenn wir Inklusion im Sport von Anfang an fördern und leben, stärken wir junge Menschen und beugen Diskriminierung aktiv vor.

Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch
Und trotz dieser positiven Wahrnehmung gibt es erhebliche Bedenken hinsichtlich der Rahmenbedingungen für die gleichberechtigte Teilhabe am Breiten- und Leistungssport, die von den Para-Sportler*innen als unzureichend wahrgenommen werden. Dazu zählen beispielsweise der Zugang zu Sponsor*innen oder die Trainingsinfrastruktur, welche gerade mal 18 Prozent der Sportler*innen als positiv bewerten. So zeigt sich auch ein Ungleichgewicht zwischen Olympionik*innen und Paralympionik*innen: Während und nach den Paralympics sagt kein*e einzige*r der befragten Athlet*innen, dass der Zugang zu Sponsoren für paralympische und olympische Athlet*innen gleich Erfolg versprechend ist.
Der Para Kugelstoßer Niko Kappel präsentiert seine Medaille in Richtung einer Fernsehkamera im Deutschen Haus Paralympics in Paris 2024.

Klarer Wunsch: Mehr Berichterstattung 

Die Berichterstattung über die Paralympics löst bei der Hälfte der Befragten Freude aus, die im Verlauf der Spiele steigt. 40 Prozent der Bevölkerung gaben dabei an, dass sie während der Paralympics eine genauso umfassende Berichterstattung erleben wie bei den Olympischen Spielen. Dennoch: Gewünscht ist eine deutlich umfangreichere Berichterstattung, um die Sichtbarkeit und das Verständnis für die Paralympics zu erhöhen. Das Fernsehen ist dabei das beliebteste Medium. Was auffällt: Die meisten Befragten bewerten einige Aspekte während der Spiele positiver als davor und danach. Das könnte mit der Berichterstattung während der Paralympics zusammenhängen. Die Vermutung: Die Euphorie während der Spiele und der Berichterstattung ist nicht nachhaltig und flacht schnell ab. 

Ich wünsche mir auch nach den Spielen mediale Berichterstattung über unsere Sportarten.

Para-Sportler*in

Behindertenbeauftragter Jürgen Dusel zur Studie

"Sport verbindet, und zwar über die Grenzen von sozialem Status, Herkunft und auch die Frage einer Behinderung hinaus. Im Sport können wir gemeinsame Erfolge feiern, uns anfeuern und vielleicht auch trösten, wenn es kein Platz auf dem Siegerpodest wurde. Und der Sport verschafft auch Sportlerinnen und Sportlern mit Behinderungen mehr Sichtbarkeit. Kurzum: Sport kann ein Motor sein, auch für die Inklusion! 

Im Sommer 2024 habe ich die Paralympics in Paris verfolgen dürfen, ein Jahr zuvor hatten wir die Special Olympics in Berlin zu Gast. Dass wir als Gesellschaft von solchen Sport-Ereignissen profitieren, belegen auch einige Ergebnisse dieser Studie. So gaben viele Befragte aus der Bevölkerung an, dass sie die Parasportlerinnen- und sportler als Vorbilder sehen. Das spricht für die Paralympics und ihr großes Medienecho: Menschen mit Behinderungen und ihre Leistungen finden statt und werden gewürdigt. Das ist ermutigend! 

Doch leider kann man nicht nur ein positives Bild zeichnen. Weniger als die Hälfte der Parasportlerinnen und –sportler in dieser Studie sieht die Paralympischen Spiele als Teil des Olympischen Sports. Fragt man hingegen die allgemeine Bevölkerung danach, zeigt sich eine viel positivere Einschätzung. Dieser eklatante Unterschied zwischen der Außen- und der Innensicht zieht sich wie ein roter Faden durch die Untersuchungsergebnisse und scheint symptomatisch zu sein.  

Ein Porträtfoto von Jürgen Dusel.

Menschen mit Behinderungen und ihre Leistungen finden statt und werden gewürdigt. Das ist ermutigend!

Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen

Viele Verpflichtungen, die sich für Deutschland durch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention ergeben, sind bislang nicht umgesetzt worden. Von der vollumfänglichen gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen kann nicht die Rede sein. Auch der Fachausschuss der Vereinten Nationen, der 2023 die Fortschritte Deutschlands in der Umsetzung der UN-BRK unter die Lupe genommen hat, konnte hier nur ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Ist es dann ein Wunder, wenn die befragten Parasportlerinnen und -sportler die Teilhabemöglichkeiten für Menschen mit Beeinträchtigung im Sport und darüber hinaus in verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens viel kritischer sehen?

Der Weg, den wir noch zurücklegen müssen, um Inklusion auch im Sinne der UN-BRK umzusetzen, ist noch weit, und die Stimmungslage, die diese Studie einfängt, belegt das. Aber sie zeigt auch, dass die Rolle des Sports, und hier denke ich auch an den Breitensport jenseits olympischer Disziplinen, sehr wichtig ist für die Inklusion, denn er gibt uns die Möglichkeit zur Begegnung und zum Umdenken. Aber wir brauchen viel mehr davon: In der Schule, am Arbeitsplatz, in der Kultur, überall muss es normal sein, dass wir die Dinge gemeinsam tun und dafür endlich Barrieren abbauen - das wird auch die Aufgabe der neuen Bundesregierung sein." 

Denise Schindler: "Die Paralympics bringen den Stein ins Rollen"

Parasportlerin Denise Schindler auf dem Rad

Denise Schindler, ehemalige Para-Radsportlerin und TV-Expertin, spricht mit uns im Interview darüber, wie wichtig die Paralympics für die Inklusion im Sport sind. Es geht um die Bedeutung der Spiele für die Inklusion im Breitensport und die Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Aber auch darum, dass ein einzelnes Event nicht ausreicht, sondern eher einen Stein ins Rollen bringt. Wie dieser Stein ins Rollen kommt, wo er hin rollen sollte und wie Denise Schindler als Expertin die mediale Aufmerksamkeit der Paralympics bewertet, erfahren Sie im Interview. 

Zu sehen ist das Titelblatt der Aktion Mensch Studie "Paralympische Spiele und Inklusion - Wie die Paralympics Paris 2024 die gesellschaftliche Wahrnehmung von Menschen mit Beeinträchtigung beeinflussen". Unter der Überschrift ist das Bild des Para Kugelstoßer Niko Kappel zu sehen der seine Medaille in Richtung einer Fernsehkamera im Deutschen Haus Paralympics in Paris 2024 präsentiert.

Studie "Paralympische Spiele und Inklusion – Wie die Paralympics Paris 2024 die gesellschaftliche Wahrnehmung von Menschen mit Beeinträchtigung beeinflussen"

  • Veröffentlicht: 09. April 2025
  • 56 Seiten
  • Haupterkenntnisse und Fazit in Einfacher Sprache vorhanden
  • Dateigröße: 1,06 MB

Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse

Wir haben die zentralen Ergebnisse der Studie für Sie grafisch auf einen Blick zusammengefasst. Unterteilt sind die Ergebnisse im Überblick in die drei Themengebiete "Wahrnehmung gesellschaftlicher Teilhabe", "Paralympics und Inklusion" sowie "Paralympics und Medien". Die Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse können Sie hier herunterladen.

Studienleiterin Prof. Dr. Sina Eghbalpour im Interview

Porträtfoto von Prof. Dr. Sina Eghbalpour
Sie war ganz nah dran – an den Paralympics, an unserer Studie und an den Studienergebnissen. Im Interview sprechen wir mit Studienleiterin Prof. Dr. Sina Eghbalpour über den Studienverlauf, ihre Meinung zu den Ergebnissen und dazu, was mit den Ergebnissen getan werden sollte. Prof. Dr. Sina Eghbalpour erklärt, wie wichtig es ist, die Sichtbarkeit von Paralympischen Athlet*innen zu erhöhen und welche Maßnahmen notwendig sind, um die Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Sport zu verbessern. Ihre Erkenntnisse zeigen, dass trotz positiver Wahrnehmung der Paralympics in der Gesellschaft, die tatsächlichen Herausforderungen für Menschen mit Beeinträchtigungen oft unterschätzt werden.  

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