Inklusionssport beim SVE Hamburg
Im Sportverein Eidelstedt Hamburg (SVE Hamburg) treiben Menschen mit und ohne Behinderung schon seit 33 Jahren gemeinsam Sport. Stefan Schlegel, stellvertretender Geschäftsführer des SVE Hamburg, erzählt im Interview über die Anfänge vom Inklusionssport. Außerdem gibt er nützliche Tipps für interessierte Vereine.
Herr Schlegel, wie kamen Sie zum Inklusionssport?
Ich habe schon immer viel Sport getrieben. Als ich vor über 30 Jahren meinen Zivildienst an einer Blindenschule gemacht habe, erlebte ich, wie wichtig Sport für Menschen mit Behinderung ist und wie viel Spaß es bereitet, ihn gemeinsam auszuüben. Zeitgleich habe ich ehrenamtlich in der Hamburger Sportjugend im Ausschuss für sportliche Sozialarbeit angefangen und zwei Jahre später hauptamtlich im SVE Hamburg. Da kam mir zum ersten Mal die Idee, Sport für alle anzubieten. Ich wollte einfach mal probieren, ob das möglich ist.
Welche Probleme gab es zu Beginn?
Als wir 1988 die ersten beiden Inklusionssportgruppen im SVE Hamburg gegründet haben, wussten die meisten Menschen noch nicht einmal, was Inklusion ist. Wir sind in der Verwaltung und in der Sportszene auf viel Unverständnis gestoßen. Aber wir haben uns nicht beirren lassen. Um innerhalb des Vereins möglichst unabhängig arbeiten zu können, haben wir uns schließlich dazu entschieden, eine eigene Inklusionssportabteilung einzurichten. Das bedeutete aber auch, dass wir uns eigenständig finanzieren mussten, das war ein Problem. Denn Inklusionssport hat sich zunächst überhaupt nicht getragen.
Wieso das?
Inklusionssport ist ein bisschen teurer, weil wir kleinere Gruppen haben. Das heißt, die Beitragseinnahmen sind geringer. Außerdem brauchen wir oft spezielles Zubehör. Zum Beispiel beim Rollstuhlsport. Da benötigen wir Leihrollstühle für die Fußgänger*innen. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Gerade heute, wo Inklusion in aller Munde ist, kann mit Fördermitteln aus Stiftungen und dem Sportbund viel erreicht werden.
Wie reagieren die Menschen mittlerweile auf die Inklusionssport-Abteilung?
Heute sind wir zum Vorzeigeverein für Inklusion geworden. In unserer Inklusionsabteilung haben wir circa 430 Mitglieder, davon hat rund die Hälfte eine geistige oder körperliche Einschränkung. Die Menschen wissen, dass wir offen für alle sind und nehmen das Angebot gerne an. Auch für Trainer*innen bieten wir einen leichten Einstieg, weil wir immer im Team arbeiten und die Menschen langsam an die neue Aufgabe heranführen.
Welche Angebote gibt es heute in der Inklusionssport-Abteilung?
Wir haben 35 Sportangebote in unserer Inklusionsabteilung. Das reicht von Basketball über Fußball bis zum Klettern und Tanzen. Sogar einen Schwimmkurs bieten wir an. Es gibt sowohl ein breites Angebot für Kinder als auch für Erwachsene. In bunt gemischten Gruppen aus Menschen mit und ohne Behinderung treiben wir dann gemeinsam Sport.
Welche Projekte stehen noch in der Zukunft an?
Für 2022 haben wir geplant, unsere Tennisanlage barrierefrei umzubauen. Der gesamte Umbau wird rund 300.000 Euro kosten. Wir sind gerade dabei, Fördermittel bei verschiedenen Stiftungen zu beantragen. Das Projekt ist eine enorme Herausforderung. Aber unser Motto ist schon immer gewesen: Wer Inklusion will, der wird auch einen Weg finden.
Tipps zum Inklusionssport vom Experten
Es muss nicht immer eine Inklusionsgruppe pro Verein geben. Es können sich auch mehrere Vereine zusammenschließen und gemeinsam eine Gruppe gründen. So ist mehr Know-how vorhanden und auch die Finanzierung kann aufgeteilt werden.
Wer eine eigene Inklusionsabteilung gründet, kann sich selbst verwalten und finanzieren. Das schafft Unabhängigkeit von anderen Abteilungen im Verein.
In den meisten Fällen reichen die Mitgliedsbeiträge allein nicht aus, um die Inklusionsabteilung zu finanzieren. Es gibt aber verschiedene Stellen, über die Vereine Fördermittel bekommen können. Zum Beispiel über den jeweiligen Landessportbund. Dieser vergibt eine Anschubfinanzierung bei neuen Gruppen. Außerdem bezuschusst er auch bereits bestehende Gruppen mit mehreren Hundert Euro pro Jahr. Darüber hinaus gibt es auch verschiedene Sportstiftungen, die Gelder vergeben.
In vielen Vereinen herrscht der Irrglaube, dass für Inklusionssport extra ausgebildetes Personal benötigt wird. Dabei gibt es keine separate Ausbildung für Inklusionssport. Und die braucht es auch nicht. Jede*r, die oder der eine Affinität zu Bewegung hat und Fingerspitzengefühl im Umgang mit Menschen, kann eine Inklusionsgruppe trainieren. Um den Einstieg für Trainer*innen zu erleichtern, ist es am besten, Hospitationen anzubieten. So können sich Menschen mit Interesse erst einmal anschauen, wie Inklusionssport funktioniert. Da bei inklusiven Gruppen immer im Team trainiert wird, können neue Trainer*innen nach und nach mehr Verantwortung übernehmen. So tasten sie sich langsam an die neue Aufgabe heran.
Gerade am Anfang herrscht bei vielen Vereinen Unsicherheit darüber, ob und wie eine Inklusionsgruppe funktionieren kann. Dann hilft es, einfach mal bei anderen Vereinen zu hospitieren und zu schauen, wie die anderen es machen. Schnell wird dann klar werden, dass sich Inklusionsgruppen bis auf den Betreuungsschlüssel und eine leicht angepasste Methodik gar nicht so sehr von anderen Sportgruppen unterscheiden. Am Ende kommt es darauf an, den ersten Schritt zu gehen, mutig zu sein und loszulegen.