Hilal Kutlu: Recht auf Eltern-Assistenz durchsetzen
„Meiner Erfahrung nach haben die Verantwortlichen im Bezirk Oberbayern grundsätzlich etwas dagegen, dass körperlich hilfebedürftige Frauen Kinder zur Welt bringen. Wenn ein Antrag auf Elternassistenz kommt, schalten sie sofort das Jugendamt ein. Das war auch bei Ramona Böhner so. Sie hatte im April 2019 einen Antrag auf Elternassistenz gestellt und brachte im Juli ihr Kind zur Welt. Eigentlich hätte der Bezirk innerhalb von zwei Wochen nach Antragstellung eine Entscheidung treffen müssen. Stattdessen haben sie die Entscheidung hinausgezögert und Ramona im Juli mit einer Vertreterin des Jugendamts in der Klinik aufgesucht. Dann haben sie entschieden, dass sie ihr Kind wegen angeblicher Kindeswohlgefährdung gleich abgeben muss. Von dort kam es in die Obhut einer Pflegemutter. Ramona musste abstillen, musste unter Schmerzen ihr Kind besuchen fahren. Obwohl gar keine Kindeswohlgefährdung vorlag, durfte sie ihren Sohn nur zwei Stunden pro Woche unter Aufsicht sehen. Es war sehr dramatisch.
Ramonas Sohn kommt jetzt nach Hause
Ramona Böhner hat sich dann in München an die Vereinigung Integrationsförderung (VIF) gewandt, und dort hat man sie an mich verwiesen. Ich habe gesagt: Ramonas Sohn kommt jetzt nach Hause, und ich gehe in Vorleistung. Innerhalb von drei Tagen habe ich ein Team zusammengestellt. Ich kenne keinen Fall, bei dem es reibungslos funktioniert hat. Meine Anträge und Widersprüche funktionieren natürlich schneller als bei einer Einzelkämpferin. Wenn man innerhalb von zwei Wochen nach Antragstellung nichts hört, dann gilt die Leistung als vorläufig bewilligt.
Anträge auf Leistungen: Professionelle Hilfe von Anfang an
Dazu gibt es Paragrafen. Und ich kann es mir als Pflegedienst finanziell leisten, in Vorleistung zu gehen, meine Mitarbeiter zu bezahlen. Eine einzelne Person kann das natürlich nicht. Außerdem habe ich die Presse involviert, was den Druck auf den Bezirk noch erhöht hat. Mittlerweile sage ich in solchen Fällen: Wenn innerhalb von zwei Wochen kein Bescheid kommt, dann erwirke ich eine einstweilige Verfügung und fertig.
Ich finde es auch traurig, dass viele Menschen in stationäre Einrichtungen gehen, obwohl sie das gar nicht müssten. Eigentlich müsste der Kostenträger sie beraten, doch er leistet meist keine Hilfestellung. Es gibt im Bezirk zwar auch wirklich nette Mitarbeiter*innen, die Anträge schnell bearbeiten. Aber die meisten sind geschult, die Bewilligung so weit wie möglich hinauszuzögern. Ich kenne keinen Fall – und ich mache das jetzt schon ein paar Jahre –, bei dem es reibungslos funktioniert hat. Deshalb rate ich Menschen mit Behinderung, die Anträge auf Leistungen stellen, immer über einen Verein zu gehen oder sich von Anfang an anderweitig professionelle Hilfe zu holen. Denn wenn es ablehnende Bescheide gibt, ist es für den Einzelnen sehr schwer, diese wieder aufzuheben.“