Test zur Barrierefreiheit deutscher Online-Shops
Mal schnell eine Online-Überweisung tätigen oder neue Schuhe bestellen? Was für viele Menschen selbstverständlich erscheint, ist für Menschen mit Beeinträchtigung oft mit großen Hürden verbunden oder sogar unmöglich. Und dass, obwohl privatwirtschaftliche Anbieter*innen ab Juni 2025 durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes dazu verpflichtet sind, ihre Online-Angebote barrierefrei zu gestalten.
Zum zweiten Mal haben die Aktion Mensch und Google, in Zusammenarbeit mit der Beratungsagentur BITV-Consult, PIA UDG und der Stiftung Pfennigparade, die Barrierefreiheit der in Deutschland meistbesuchten Online-Shops getestet. Wie schon im vergangenen Jahr zeigt der Testbericht: Das Internet, und vor allem Webseiten von gewerblichen Anbietern, sind zu einem ganz überwiegenden Teil nicht barrierefrei nutzbar.
Das Testergebnis
Das Ergebnis des Tests zeigt, wie groß der Handlungsbedarf der Firmen bis 2025 noch ist: Nur ein Fünftel der untersuchten Shops ist barrierefrei. Mangelnde Tastaturbedienbarkeit ist dabei die häufigste Barriere. Nur 15 von 71 untersuchen getesteten Webseiten waren alleine über die Tastatur und damit ohne Maus bedienbar. Dabei stellt die Tastaturbedienbarkeit für viele Menschen mit Behinderung eine Grundvoraussetzung für barrierefreie Nutzung dar.
Der Testbericht zeigt außerdem: Die meisten der getesteten Webseiten bieten außerdem keinen sichtbaren Tastaturfokus. Nutzer*innen etwa mit eingeschränktem Sehvermögen können folglich nur schwer erkennen, welches Element sie gerade ausgewählt haben. Hinzu kommen häufig fehlende Kontraste, was die Lesbarkeit von Texten oder das Identifizieren wichtiger Symbole beeinträchtigt. Auch eine falsche oder unlogische Tab-Reihenfolge macht es für Nutzer*innen mit Behinderung oft unmöglich, durch die Online-Shops zu navigieren, sich über Produkte zu informieren und diese auszuwählen. Eine weitere Hürde stellen eingeblendete Inhalte wie Banner oder Cookie-Overlays dar, die den Hauptinhalt der Webseite verdecken und sich nicht ohne weiteres schließen lassen.
Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, fordert: „Digitale Teilhabe zählt zu den zentralen Rechten von Menschen mit Behinderungen, die sich aus der UN-Behindertenrechtskonvention ergeben. Und die hat Deutschland bereits 2009 ratifiziert - das ist nun bereits 15 Jahre her. Barrierefreiheit muss endlich umgesetzt werden - jetzt und überall! Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz ist nun ein wichtiger Meilenstein erreicht. So müssen ab Juni 2025 viele digitale Dienstleistungen barrierefrei gestaltet sein. Dazu zählen auch Online-Shops. Die Ergebnisse der Studie der Aktion Mensch zeigen jedoch, dass bis zum nächsten Jahr noch viel zu tun ist.“
Der Testbericht zum Download
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Digitale Barrierefreiheit: Eine politisch-rechtliche Einordnung von Jürgen Dusel
- Welche Kriterien haben wir herangezogen?
- Methodik: Wie haben wir den Test genau durchgeführt?
- Testergebnisse: So barrierefrei sind die untersuchten Webseiten
- Was Betreiber*innen von Webseiten tun können und wie die Künstliche Intelligenz dabei hilft
- „Chancen von KI nutzen, um die Welt barrierefrei zu gestalten“ – Ein Interview mit Michael Wahl
- Fazit
- Über die Partner des Testberichts
Die untersuchten Seiten
Die untersuchten Seiten ergaben sich, wie im Vorjahr, aus den 500, laut Web-Analyst SimilarWeb, meistbesuchten Firmen-Webseiten in Deutschland. Genauer betrachtet wurden davon 71 Webseiten, die über einen kompletten E-Commerce-Webshop (vom Suchen bis zum Kaufabschluss) verfügen. Im Vorjahr hatten noch 78 Webseiten diese Voraussetzungen erfüllt. Die Differenz kommt dadurch zustande, dass bestimmte Dienste eingestellt wurden, sich Geschäftsmodelle verändert haben, oder Seiten nicht mehr in den Top 500 der meistbesuchten Webseiten vorkamen.
Wie wurde getestet?
Anhand einer typischen „User Journey“ wurden die ausgewählten Webseiten manuell auf Barrierefreiheit überprüft - in zwei Schritten:
- Tastaturbedienbarkeit als Grundvoraussetzung für digitale Barrierefreiheit
- Webseiten, die per Tastatur bedienbar waren, wurden auf bis zu sieben weitere Kriterien getestet.
Die weiteren Prüfkriterien:
Die sieben weiteren besonders nutzerorientierten und wichtigsten Kriterien für digitale Barrierefreiheit beim Online-Shopping, auf Basis der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) des World Wide Web Consortiums (W3C), sind:
- Sind auszufüllende Formularfelder verständlich beschriftet und erklärt?
- Ist die Textgröße änderbar?
- Sind die Kontraste von Texten und Grafiken ausreichend groß?
- Sind multimediale Inhalte für alle Menschen erfassbar?
- Können Nutzer*innen multimediale Inhalte pausieren, beenden, ausblenden?
- Sind Überschriften und Beschriftungen aussagekräftig und verständlich?
- Sind interaktive Elemente (beispielsweise Buttons oder Drop-Down-Menüs) durch assistive Technologien auslesbar?
Die Tester*innen
Die Tester*innen kommen von der Stiftung Pfennigparade und den Beratungsfirmen BITV-Consult sowie PIA UDG. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen. Im Vordergrund standen bei diesem Test verschiedene körperliche Beeinträchtigungen, wie Sehbehinderungen, Bewegungseinschränkungen oder erworbene Hirnschädigungen.
Je nach Einschränkung haben die Tester*innen unterschiedliche Eingabegeräte genutzt, wie Spracheingabe, (Spezial-)Maus und (Spezial-) Tastatur, Joystick, Augensteuerung.
Auch die Ausgabegeräte waren an die jeweilige Person angepasst und reichten von Bildschirmen und Voice Over bis hin zu Screenreadern.
Testerin Sophie gibt einen Einblick, wie sie für den Bericht Webseiten auf die Tastaturbedienbarkeit getestet hat: