Das wir gewinnt

Röstwerkstatt Tatico: Erfolg mit inklusivem Team 

Ein Menn mit Brille schüttet Kaffeebohnen aus einer großen blauen Tonne in einen Trichter
Vor seinem neuen Job in der Kaffeerösterei hat Marvin Tutsch (39) in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung gearbeitet. 
Ob als ganze Bohne oder filterfein gemahlen: In einer kleinen, handwerklichen Rösterei im Kreis Höxter veredelt ein inklusives Team Kaffee aus Mittelamerika und vertreibt ihn unter der Marke Tatico. Das Inklusionsunternehmen in Brakel ist Teil des Kolping-Bildungswerkes Paderborn und bietet acht Menschen mit und ohne Behinderung feste, versicherungspflichtige Arbeitsplätze.

Zum Kolping-Bildungswerk Paderborn gehören neben der Kaffeerösterei noch weitere Inklusionsunternehmen, darunter Hotels, Wäscherein, ein Supermarkt und Gaststätten. „Unser Ziel ist es, möglichst viele Menschen mit Behinderung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu bringen, insbesondere Menschen aus den Werkstätten für Menschen mit Behinderung“, sagt der Geschäftsführer der Röstwerkstatt Thorsten Schulz. Das Kolping-Bildungswerk habe damit viele gute Erfahrungen gemacht: „Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, können Menschen mit Behinderung gute Arbeit leisten. Sie erhalten dafür bei uns ein vernünftiges Gehalt oberhalb des Mindestlohns.“ 

Inklusionsunternehmen sind gewöhnliche Betriebe, in denen Menschen mit und ohne Behinderung zusammenarbeiten. Sie haben aber keinen Sonderstatus, sondern müssen sich wie jedes andere Unternehmen auf dem freien Markt behaupten. Für den Auf- und Ausbau der Rösterei erhielt die Kolping Röstwerkstatt Brakel Fördermittel der Aktion Mensch und des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe.

Besondere Fähigkeiten entdecken und fördern

Thorsten Schulz ist überzeugt: „Menschen mit einem hohen Grad an Behinderung haben zwar Einschränkungen, aber in der Regel auch besondere Fähigkeiten. Es geht darum, diese Fähigkeiten zu entdecken und den Arbeitsplatz entsprechend zu gestalten.“ Das erfordert von Arbeitgeber*innen Umdenken und auch etwas Geschick: Statt den perfekten Bewerber oder die perfekte Bewerberin für eine klar umrissene Stellenbeschreibung zu suchen, muss man die neuen Mitarbeiter*innen erst einmal vieles ausprobieren lassen, die besonderen Stärken finden und dann die Arbeitsumgebung entsprechend anpassen. 

Bei Tatico ist diese Strategie aufgegangen: Neben einem ehemaligen Mitarbeiter einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung haben zwei weitere Männer mit im Laufe des Lebens erworbenen Behinderungen passgenaue Jobs gefunden. Einer von ihnen war neben seinen körperlichen Einschränkungen langzeitarbeitslos und hatte bisher noch nie länger angestellt gearbeitet. Zu den Anpassungen der Arbeitsumgebung gehört zum Beispiel, dass ein Mitarbeiter seine Pausenzeiten weitgehend selbst bestimmen kann. Für einen anderen wurden Aufgaben ausgesucht, die sehr ruhig und gleichförmig sind, da er so am besten arbeiten kann. 

Wertschätzung ist wichtig

 „Es ist wichtig zu schauen, dass die Leute auch psychosozial gut zurechtkommen. Es kann eine Weile dauern, bis man herausgefunden hat, wie das funktioniert. Aber es lohnt sich“, so Thorsten Schulz. „Außerdem gehört Wertschätzung dazu: Wir kommunizieren ständig, dass jede Tätigkeit wichtig ist für das Endprodukt. Egal ob Kaffee rösten, Tüten zuschweißen oder Kisten für Kunden mit einem ordentlichen Klebestreifen verschließen. Wir sind relativ hochpreisig unterwegs. Das heißt: Die Qualität muss stimmen.“ 

Das Konzept der Röstwerkstatt hat bereits Nachahmer gefunden: Befreundete Röstereien, die bisher keine Mitarbeiter*innen mit Behinderung hatten, haben sich für Inklusion geöffnet. 

Steckbrief: Kolping Röstwerkstatt Brakel gGmbH

  • Die Rösterei ist ein Inklusionsbetreib und Tochter des Kolping-Bildungswerkes Paderborn und der Adolph-Kolping-Stiftung Paderborn mit Sitz in Brakel.
  • In der Kaffeerösterei und im Vertreib arbeiten acht Mitarbeiter*innen mit und ohne Behinderung, darunter auch ein honduranischer Süd-Nord-Freiwilliger, Sohn eines Kaffeeproduzenten.
  • Den fair gehandelten und nachhaltig angebauten Tatico Kaffee gibt es schon seit 30 Jahren. Er ist aus einem Projekt der Entwicklungszusammenarbeit entstanden. 
  • Seit zwei Jahren röstet die Röstwerkstatt den Tatico Kaffee auch selbst.
Jute-Sack mit Kaffeebohnen, die von Partner-Produzenten des Kolpingwerks in Honduras stammen.
Fair gehandelt und nachhaltig angebaut: Die Markte Tatico Kaffee gibt es schon seit 30 Jahren. 

Drei Fragen an Tatico-Mitarbeiter Marvin Tutsch 

Was machen Sie in der Röstwerkstatt? 

Ich arbeite an der Abfüllmaschine und fülle den Kaffee in Tüten. Entweder 250 Gramm oder 500 Gramm. Außerdem arbeite ich an der Mühle. Da wird der Kaffee gemahlen. Ich packe auch die fertigen Tüten in Kartons. Wenn die Kartons fertig sind, bringe ich sie ins Lager. Dann trage ich die Stückzahl manchmal auch in die Lagerliste ein. 

Was haben Sie vorher gemacht? 

Vorher war ich in Ladbergen in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Da habe ich im Metallbereich gearbeitet. Ich habe eine Maschine bedient. Das war mir zu anstrengend dort. Da musste man meistens stehen. Ich war immer an der Maschine. Und ich hatte immer den Kopf voll von der Arbeit. Auch, wenn ich zuhause war. 

Was gefällt Ihnen an der neuen Arbeit? 

Mein Kopf ist freier geworden bei der neuen Arbeit. Jetzt ist es einfacher für mich. Mit den Kollegen ist es auch super. Der Schritt aus der Werkstatt war auf jeden Fall gut. Ich arbeite gerne mit Kaffee. Ich erzähle meinen Freunden und Verwandten davon. Die finden das auch gut.

 
Dunkelhaariger Mann mit Brille füllt an einer Maschine Kaffee in Tüten
Zu den Aufgaben von Marvin Tusch gehört unter anderem das Abfüllen des Kaffees.

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