Das wir gewinnt

Bürger*innen-Beteiligung für mehr Inklusion

Wer sich im eigenen Viertel, der Kommune, auf Landes- oder sogar Bundesebene für mehr inklusive Mobilität einsetzen möchte, hat im Rahmen der Bürger*innenbeteiligung eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Vier Ideen, wie man allein oder gemeinsam etwas bewegen kann.

Bürger*innen-Initiative

Eine Bürgerinitiative ist ein starkes Instrument, um Mitstreiter*innen für eine Sache zu gewinnen und das Anliegen gegenüber Behörden und (politischen) Entscheidungsträgern zu vertreten und durchzusetzen. Besonders gut eignen sich Bürgerinitiativen für ganz konkrete Projekte auf lokaler oder kommunaler Ebene – zum Beispiel, wenn es darum geht, Haltestellen in der Gemeinde barrierefrei zugänglich zu machen, das Netz an Fahrradwegen auszubauen oder Tempolimits im Bereich der örtlichen Schulen durchzusetzen. An eine bestimmte Rechtsform sind sie nicht gebunden; freie Gruppierungen, Vereine, aber auch Stiftungen oder Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) können eine Bürgerinitiative sein. Die Rechtsform ist entscheidend dafür, wie die Gründung ablaufen muss. Wer eine Bürgerinitiative als Verein aufsetzen möchte, braucht zum Beispiel mindestens sieben Gründungsmitglieder, muss ein Gründungsprotokoll schreiben und eine Vereinssatzung aufstellen. Am einfachsten ist die Gründung einer freien Gruppe. Dabei kann eine einzelne Person oder eine kleine Gruppe zu einer Gründungsversammlung aufrufen – zum Beispiel über soziale Netzwerke, Flugblätter oder Pressemitteilungen an die lokalen Medien. Im Rahmen der Versammlung werden die Anwesenden dann über das Anliegen informiert und können sich in eine Mitgliederliste eintragen. Sobald die Bürgerinitiative steht, kann die Arbeit richtig losgehen. Viele Initiativen betreiben zum Beispiel intensive Öffentlichkeitsarbeit, führen Unterschriftensammlungen durch, organisieren Kundgebungen oder schieben Bürgerbegehren und Petitionen an.


Ausführliche Informationen rund um die Gründung und die Arbeit von Bürgerinitiativen finden sich in folgendem Buch:

Meike Maser-Plag „Bürgerinitiativen bewegen: Ein Leitfaden für die Praxis“, April 2020, 88 Seiten, oekom-Verlag, ISBN: 978-3962382162

Illustration diverser Bürgerbeteiligung-Situationen

Bürger*innen-Begehren

Wenn es um wichtige Fragen auf kommunaler Ebene geht – zum Beispiel um die Barrierefreiheit des lokalen Busbahnhofs –, können die Bürger*innen einer Stadt oder Gemeinde einen Antrag auf Bürgerentscheid stellen. Dieser Antrag wird Bürgerbegehren genannt. Jede*r, der oder die am jeweiligen Ort bei der Kommunalwahl wahlberechtigt ist, kann ein Begehren anstoßen; alle Wahlberechtigten können es mit ihrer Unterschrift unterstützen. Ist eine bestimmte Anzahl von Unterschriften erreicht, müssen Kommunalparlament und -regierung sich mit dem Anliegen befassen und die Bürger*innen darüber abstimmen lassen. Das Verfahren gibt es in allen Bundesländern. Allerdings sind die Voraussetzungen nicht überall gleich. So müssen in einigen Hamburger Bezirken nur zwei Prozent der Wahlberechtigten den Antrag auf Bürgerentscheid unterschreiben. In Thüringen sind es je nach Kommune bis zu 17 Prozent. Außerdem sind in den meisten Bundesländern Bürgerbegehren auf bestimmte Themenfelder beschränkt. Je nach Bundesland gibt es auch Unterschiede beim genauen Verfahren eines Bürgerbegehrens. Was wo gilt, kann man beim Gemeinde- oder Stadtrat beziehungsweise den örtlichen Verwaltungen erfahren. Ausführliche Informationen und Beratung gibt es auch beim Verein „Mehr Demokratie e. V.“, der sich für eine starke Zivilgesellschaft einsetzt.
Direkte Bürgerbeteiligung ist nicht nur auf kommunaler, sondern auch auf Landesebene möglich. Dort gibt es das sogenannte Volksbegehren. Mit diesem Antrag auf einen Volksentscheid können Bürger*innen die Landesparlamente beziehungsweise die Landesregierung dazu bringen, sich mit bestimmten Angelegenheiten auseinanderzusetzen und zum Beispiel eine Gesetzesvorlage der Initiator*innen des Begehrens zu diskutieren. Wie beim Bürgerbegehren gibt es auch beim Volksbegehren je nach Bundesland unterschiedliche Voraussetzungen, damit der Antrag gestellt werden kann. Auch zu Volksbegehren und Volksentscheid gibt es auf den Webseiten von Mehr Demokratie e. V. ausführliche Informationen.

Petition

In Deutschland hat „Jedermann (…) das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden“. So steht es in Artikel 17 des Grundgesetzes. Das sogenannte Petitionsrecht, das hier beschrieben wird, lässt sich einfach wahrnehmen: Es reicht aus, die Bitte oder Beschwerde, die man hat, gut leserlich per Brief, Postkarte, Fax oder online an die jeweils zuständige Stelle zu schicken. Außerdem muss man seine Adresse angeben, damit man Nachfragen beantworten und erfahren kann, was aus der Petition geworden ist. Die Person, die eine Petition einreicht, nennt man Petent beziehungsweise Petentin. Welche Stelle zuständig ist, richtet sich nach der Art des Anliegens. Geht es um bundespolitische Fragen, ist der Petitionsausschuss des Bundestags der richtige Adressat; auf Länderebene sind es die Petitionsausschüsse der jeweiligen Landtage. Bitten und Beschwerden rund um kommunale Fragen richtet man am besten direkt an die lokale Stadt- oder Gemeindeverwaltung. Wer zum Beispiel möchte, dass der Busbahnhof in der eigenen Stadt für alle besser zugänglich wird, richtet seine Eingabe am besten an die Stadtverwaltung. Geht es darum, gesetzliche Vorgaben so zu ändern, dass alle Busbahnhöfe landes- oder bundesweit barrierefrei werden, sind Petitionen an den Bundes- beziehungsweise den zuständigen Landtag sinnvoller. Zwar geben die Petitionsausschüsse von Bund und Ländern Anliegen, für die sie nicht zuständig sind, auch an die richtige Stelle weiter. Wer sich gleich an den passenden Adressaten wendet, spart aber Zeit.
Man unterscheidet zwischen Einzelpetitionen und öffentlichen Petitionen. Wer ein persönliches Anliegen hat, reicht eine Einzelpetition ein. Für allgemeine Anliegen wie „Der ÖPNV in Deutschland muss barrierefrei werden“ eignet sich eine öffentliche Petition, für die Initiator*innen Unterschriften von Unterstützer*innen sammeln können. Wenn eine Petition an den Bundestag mehr als 50.000 gültige Unterschriften erreicht, wird über sie im Petitionsausschuss öffentlich beraten. Die Einreichenden werden zu dieser Beratung eingeladen und haben ein Rederecht. Auch wenn alle zulässigen Petitionen von den zuständigen Stellen bearbeitet werden müssen, haben Eingaben mit vielen Unterstützer*innen deshalb größere Chancen, politisch tatsächlich etwas zu bewegen.
Auch im Bereich der Petitionen ist die Welt in den letzten Jahren deutlich digitaler geworden. Petent*innen haben mehrere Möglichkeiten, ihre Bitten und Beschwerden online einzureichen. Die erste ist die sogenannte ePetition. Dabei erstellen die Initiator*innen ihre Petition im Webportal des Bundes- oder Landtags. Geht es um eine öffentliche Petition, wird diese dort veröffentlicht und nach kurzer Prüfung durch den zuständigen Petitionsausschuss eingereicht. Mit der Einreichung beginnt die Zeichnungsfrist: Ab jetzt können Unterstützer*innen die Petition online unterzeichnen. Auch für ePetitionen gilt: Kommen bei einer Eingabe an den Petitionsausschuss des Bundestags innerhalb von vier Wochen 50.000 Unterschriften zusammen, berät der Ausschuss öffentlich und in Anwesenheit der Petent*innen darüber. Bei den Landtagen gelten andere Fristen und Unterschriftenvorgaben, die man auf den Webseiten der Bundesländer nachlesen kann.
Eine zweite Möglichkeit, sich und seinem Anliegen Gehör zu verschaffen, ist die openPetition. Darunter versteht man Petitionen, die über eine kommerzielle Plattform wie change.org oder openpetition.de erstellt werden. Diese Anbieter machen es möglich, eine Petition online zu veröffentlichen und unkompliziert unterzeichnen zu lassen. So müssen sich die Unterzeichner*innen – anders als bei den ePortalen des Bundes und der Länder – meist nicht aufwendig registrieren. Auch die Zeichnungsfrist ist länger und beträgt bis zu sechs Monaten. Erst danach wird die Petition beim Bundes- oder Landtag eingereicht. Aber Achtung: Unterschriften, die auf diesem Weg gesammelt werden, zählen für die Petitionsausschüsse des Bundestags und der Landtage nicht! Über eine openPetition mit 50.000 Unterschriften beispielsweise wird also im Petitionsausschuss des Bundestages nicht öffentlich beraten. Um das zu erreichen, müssten die Unterzeichner*innen der ursprünglichen openPetition die Eingabe im ePortal des jeweiligen Petitionsausschusses noch einmal unterschreiben. Das ist den meisten Menschen nicht bekannt, und es ist auch enorm aufwendig. Deshalb können openPetitionen zwar viel öffentliches Interesse für ein Anliegen generieren, bewirken politisch aber oft weniger als eine ePetition.
Wie man eine Petition an den Petitionsausschuss des Bundestags stellt und was sich damit bewirken lässt, wird auf den Webseiten des Bundestags ausführlich erklärt: bundestag.de/petitionen

Alle Informationen über ePetitionen an den Bundestag sowie das Einreichungsportal finden sich unter: epetitionen.bundestag.de

Welche Regeln für Petitionen in den verschiedenen Bundesländern gelten und wie man sie einreicht, wird auf den Webseiten der Landtage erklärt. Es gibt zahlreiche Nichtregierungsplattformen, über die man openPetitionen erstellen kann. In Deutschland werden change.org und openpetition.de besonders häufig genutzt. Auf ihren Webseiten stehen umfangreiche Informationen rund um die Durchführung und den Umgang mit openPetitionen bereit. 

Kommunale Partizipationsangebote

Wer als Bürger*in etwas bewegen will, muss das Rad nicht immer neu erfinden. Gerade auf kommunaler Ebene gibt es schon viele Partizipationsangebote, die man für sich und sein Anliegen nutzen kann. So bieten viele Städte und Gemeinden Sprechstunden und unterschiedliche Dialogveranstaltungen für Bürger*innen an. Welche Möglichkeiten es gibt, lässt sich über die Webseiten der jeweiligen Stadt oder Gemeinde oder über Einrichtungen wie Bürger- oder Quartierbüros leicht herausfinden. Einen ersten Einblick in verschiedene kommunale Partizipationsangebote gibt auch diese Checkliste

Das könnte Sie auch interessieren