Projektarbeit in der Schule
Von den vier Methoden offenen Unterrichts ist Projektarbeit die am weitesten geöffnete und am stärksten handlungsorientierte. Ein Projekt entsteht idealerweise aus persönlichem Antrieb heraus und ist stets in ein soziales Milieu eingebunden. Das bedeutet, dass es von einer Gruppe getragen wird. Weitreichende Partizipation und Mitbestimmung seitens der Schüler grenzen diese Methode von der Wochenplan-, Werkstatt- und Freiarbeit ab.
Auf einen Blick
Schwerpunkt
Kooperatives, demokratisches Erfahrungslernen
Voraussetzungen
für alle bedeutendes Projektthema
Schülerrolle
hohes Maß an Selbstständigkeit und Selbstorganisation, umfassende Partizipation an der Gestaltung des Projekts
Lehrerrolle
Vorplanung des Erfahrungslernens der Schüler, Zurücktreten in die Rolle eines Lernberaters und –begleiters während des Projekts
Material
Materialorganisation durch die Projektgruppe, bei projektorientiertem Unterricht evtl. zusätzliche Bereitstellung durch den Lehrer
Kontrolle
durch Reflexionsgespräche innerhalb Gruppe
Inhalt
von Schülern und Lehrer gemeinsam geplant, im projektorientierten Unterricht vom Lehrer vorgegeben
Methoden
innerhalb der Zielvorgaben bestimmbar
Sozialform
auf Lernerseite gemeinsam geplant + ergibt sich situativ
Zeitpunkt und Dauer
auf Lernerseite gemeinsam geplant + ergibt sich situativ
Nähe zu anderen Methoden
Ist eine Klasse oder Lerngruppe bereits vertraut mit der Wochenplanarbeit, kann die Lehrkraft zunächst projektorientiertes Arbeiten und später die „echte“ Projektmethode einführen.
Prinzip
Bei einem Projekt finden sich Lerner zusammen, um eine Aufgabe oder ein Problem in größtmöglicher Eigenverantwortlichkeit zu lösen. Dabei kommt es zu verschiedenen Phasen: Von der Planung über die Durchführung des Projekts bis hin zur Präsentation seiner Ergebnisse. Diese Phasen laufen nicht unbedingt linear ab, sondern werden flexibel gehandhabt. An einem Projekt zu arbeiten bedeutet daher, sich als Gruppe einer Sache selbstständig anzunehmen und sie sukzessive ebenso selbstständig zu bearbeiten.
Das Besondere an der Projektmethode ist das demokratische Leitprinzip: Lehrer werden im Projektunterricht zu Lernberatern und Schüler zu Lernern mit einem hohen Mitbestimmungsrecht. Das Hauptziel besteht darin, auf diese Weise die Mündigkeit und die Persönlichkeitsentwicklung letzterer zu unterstützen, sie also zu kritischen, handlungsbereiten und verantwortungsbewussten Menschen zu machen.
Die Idee des demokratischen Unterrichts geht zurück auf den Philosophen und Pädagogen John Dewey und seinen Kollegen William Heard Kilpatrick. Beide verstehen Projekte als Philosophie der Erziehung, wobei Dewey den demokratischen Aspekt stärker betont als Kilpatrick. Ihnen zufolge zeichnet sich Projektarbeit vor allem durch handelndes, partizipatives Lernen aus: Die Schüler können ihren Lernprozess nicht nur mitbestimmen und selbst steuern, sondern identifizieren sich auch mit dem Projekt(ziel), da es sich an ihren Interessen orientiert.
Inhaltlich verfolgen die Lerner je nach ihrem Bedarf bestimmte Ziele, die sie methodisch in verschiedenen Phasen systematisch verfolgen. Alle arbeiten dabei kooperativ zusammen. Auch fächerübergreifendes Arbeiten sowie der Einbezug von Außenweltkontakten sind möglich. Insgesamt ist Projektarbeit nach Dewey und Kilpatrick als ganzheitlicher, kreativer Forschungsprozess zu verstehen. Ihr bekanntestes Beispiel hierfür bildet das Typhusprojekt, bei dem Schüler von der Frage angetrieben sind, warum es in einer Familie regelmäßig zu Typhuserkrankungen kommt.
Merkmale handlungsorientierter Unterrichtsmethoden
Theorie und Praxis:
Theoretische und praktische Arbeitsschritte sind sinnvoll verbunden, indem im Unterricht erworbene Kenntnisse auch (außerhalb) angewendet werden. („Learning by doing“)
Integration von Lern- und Lebensort:
Handlungsorientierter Unterricht bezieht die praktischen Interessen der Lerner und ihre Alltagserfahrungen mit ein.
Komplexe Aufgaben:
Aus einer umfassenden Thematik ergeben sich viele Aufgaben, für die durch experimentelles Handeln jeweils sinnvolle, realisierbare Lösungen mit verschiedenen Methoden gefunden werden.
Selbstständigkeit:
Projektidee, -ziele und Entwicklung des Projektergebnisses gehen von den Lernern aus. Zu Beginn einer Ausbildungsphase oder bei Neueinführung handlungsorientierten Unterrichts brauchen sie gegebenenfalls noch Hilfe bei der Projektidee.
Formen
Viele Ansätze nennen sich zwar Projektmethode, vernachlässigen aber den demokratischen Gedanken, der Deweys Konzept ausmacht, und verkürzen sie. Das ist teilweise den schlechten Übersetzungen seiner Werke im deutschen Sprachraum geschuldet. Sie haben dazu geführt, dass Projektarbeit bis heute vielen Unklarheiten und Vorurteilen unterliegt. Aus diesem Grund lässt sich zwischen der Projektmethode im Sinne Deweys und einer Mischform unterscheiden, die nur einzelne Komponenten berücksichtigt.
Diese Mischform wird „projektartiger Unterricht“, „projektorientierter Unterricht“ oder „Projektunterricht“ genannt. Wie bei allen vier Methoden offenen Unterrichts fällt also auch bei der Projektarbeit der Öffnungsgrad variabel aus. Das zeigt sich beispielsweise bei der Themenwahl durch die Lerner: Idealerweise kommen Projektidee, Zielsetzung und Ergebnis von ihnen. Zu Beginn einer Ausbildungsphase oder bei Neueinführung der Projektmethode brauchen sie aber vielleicht noch Hilfestellung bei der Findung der Projektidee.
Es ist auch denkbar, dass der Themenbereich zwar durch die Lernbegleitung vorgeschlagen wird, sich die Projektgruppe in einer Klasse danach jedoch freiwillig zusammenfindet und den restlichen Arbeitsprozess komplett in die eigenen Hände nimmt. Bei projektorientiertem Unterricht kann es ebenso der Fall sein, dass die Projektgruppe sich das Material nicht alleine beschafft, sondern der Lehrer hierbei unterstützt.
Umsetzung der Projektarbeit im Unterricht
Projektarbeit und projektartige Arbeit sind im außerschulischen Bereich – etwa in der Wirtschaft oder bei Bürgerinitiativen - schon lange anerkannt und selbstverständlich. Ob und inwieweit sich die Projektmethode als ganzheitliche Form des Lernens auch im (hoch)schulischen Unterricht etablieren lässt, bleibt umstritten. Dabei ist sie durchaus in allen Fächern und Jahrgangsstufen einsetzbar.
Bis jetzt findet Projektarbeit nur punktuell, ansatzweise oder verwässert Anwendung und hat sich weder in der Schule noch in der Hochschule durchgesetzt. Das ist außer auf feste Unterrichts- und Raumvorgaben in Bildungseinrichtungen auch auf die klaren Fächerabgrenzungen und Lernzielvorgaben zurückzuführen. Dass Noten in der Regel individuell und nicht kollektiv vergeben werden, bildet ein zusätzliches Hindernis.
In reformpädagogischen Ansätzen kommen einzelne Projekt-Elemente vor. Trotzdem wurde die Projektmethode nach Dewey und Kilpatrick mit demokratischem und partizipativem Fokus erst ab den siebziger Jahren genauer rezipiert. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Übersichten zu Merkmalen, idealtypischen Abläufen und Durchführungen von Projekten, zum Beispiel VEPRAPA . Da es für die Projektmethode jedoch insgesamt kein Patentrezept gibt und ein solches auch ihrem flexiblen und offenen Ablauf widersprechen würde, nachfolgend ein nur grob gefasster Ablauf:
Egal wie ein Projekt letztendlich abläuft, die Rollen von Lehrer und Schüler unterscheiden sich grundlegend vom Frontalunterricht. Vor der eigentlichen Planung des Projekts durch die Schüler (Phase c), steht die Planung des Lehrers. Er schafft die Basis für die Projektarbeit, indem er die (organisatorischen) Rahmenbedingungen gestaltet oder nützliche Informationsquellen bereitstellt. Während der konkreten Arbeitsphasen beschränkt sich seine Funktion dann ausschließlich auf die des Lernberaters.
Er beobachtet, begleitet und analysiert den Gesamtprozess, gegebenenfalls bewertet er ihn. Dabei berät er im Sinne von „Hilfe zur Selbsthilfe“, führt die Schüler also nicht zu Lösungen, sondern zu Lösungswegen. Aktiv gefragt ist der Pädagoge dann wieder für sogenannte Zwischenstopps und die Auswertungsphase. Elementar für die Projektmethode nach Dewey ist, dass der Lernberater so wenig wie möglich in den Prozessverlauf eingreift, um die Entwicklung neuer, unkonventioneller und eigenständiger Lösungen nicht zu unterdrücken.
Gutes Beispiel
Wie die integrierte Gesamtschule List in Hannover die Projektarbeit einsetzt, erklärt Dr. Petra Hoppe, Schulleiterin und Lehrerin für Naturwissenschaften.
Zwei Schülerinnen schildern ihre Erfahrungen zu dieser Methode in einem Bericht.
Vor- und Nachteile der Projektarbeit
Vorteile
Kompetenzen: Die Schüler eignen sich im Rahmen der Projektarbeit vielfältige Fähigkeiten an und erweitern ihre bestehenden. Darunter:
- Selbstständigkeit: Indem die Schüler allein für ihr Projekt verantwortlich sind und Entscheidungen treffen, befähigen sie sich selbst zum Handeln.
- Planungsfähigkeit: Die Schüler lernen zu planen, ihre Zeit optimal zu nutzen und einzuteilen, zu analysieren, problemlösend sowie übergreifend zu denken. Darüber hinaus bauen sie ihre Dokumentationsfähigkeit aus.
- Sozialkompetenz: Die Schüler lernen effektiv zu kommunizieren, rücksichtsvoll mit anderen zusammenzuarbeiten, mit Konflikten und Kritik umzugehen und stärken so ihre Teamfähigkeit.
Wissen: Indem sich die Schüler intensiv mit einem Thema beschäftigen, erwerben sie nicht nur neue, sondern vor allem tiefe inhaltliche Kenntnisse, womöglich sogar fachübergreifend.
Hoher Lerneffekt: Da die Schüler stärker als üblich in das Vorhaben eingebunden sind und persönlichen Bezug zu diesem haben, fällt das Lernen nachhaltiger aus.
Engagement: Da sich die Schüler durch die (meist) von ihnen ausgehende Aufgabenstellung sehr stark mit dem Thema des Projekts identifizieren, erhöhen sich ihre Leistungsbereitschaft und ihr Verantwortungsgefühl.
Selbstbewusstsein: Durch die hohe Eigeninitiative in allen Phasen stellt sich bei starken wie schwächeren Schülern ein Gefühl der Selbstwirksamkeit und des Erfolgs ein.
Schulklima: Bei der gemeinsamen Arbeit entwickelt sich ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Schüler respektieren sich und ihre unterschiedlichen Kompetenzen und Arbeitsweisen. So verbessern sich die Beziehungen untereinander, was wiederum für eine gute Lern- und Klassenatmosphäre sorgt.
Individuelle Förderung: Die Lehrkraft hat genügend Raum, sich in leistungsheterogenen Gruppen, direkt und intensiv um einzelne Schüler zu kümmern. So unterstützt er etwa Kinder mit Förderbedarf.
Nachteile
Überforderung: Die Freiräume der Projektarbeit sorgen bei lernschwachen Schülern womöglich zunächst für ein Gefühl der Überforderung.
Mangel an Eigeninitiative: Die Fülle an Möglichkeiten ruft bei manchen Schülern (zunächst) einen Widerstand hervor. Sie arbeiten während der Projektphasen unkonzentriert oder gar nicht.
Fazit: Inklusives Potential
Weiterführende Links
Methodenpool der Universität zu Köln
Ausführliche Beschreibung der Projektmethode im Methodenpool der Universität zu Köln, insbesondere zum idealtypischen Ablauf eines Projekts nach der VEPRAPA-Formel, die oben erwähnt ist.