Gutes Beispiel für digital-inklusive Bildung:
Waldschule Hatten
Was waren die wichtigsten Schritte auf dem Weg zu einer digitalen, inklusiven Schule?
Schließlich hatten wir einige Projektklassen mit iPads. Dann kam ein entscheidender Moment, als die anderen Klassen plötzlich fragten: Die sind iPad-Klassen und wir nicht? Dann sind wir nix? Da habe ich gedacht: Moment mal, ein Gerät entscheidet über Selbstwertgefühl, kann das sein? Dann haben wir jetzt ein großes Problem. Wir haben daraufhin versucht uns zu strukturieren, zu evaluieren. Daraus entstand der Gedanke: Es muss doch in unserem Zeitalter normal sein, dass jede*r einen Zugang zur digitalen Welt hat. Uns war klar: Es kann nicht jede*r einfach sein eigenes Gerät mitbringen. Es geht immer um Struktur und Systematik. Das ist auch wichtig in Bezug auf Chancengleichheit. Wir haben uns dann dafür entschieden, dass alle Kinder, die zu uns kommen ab Jahrgang 7 ein elternfinanziertes Tablet brauchen. Ich habe damals gesagt, es scheitert nicht am Geld. Wenn jemand sich das nicht leisten kann, soll er mit uns sprechen. Interessanterweise war der Aufschrei aber nicht so groß, wie wir eigentlich gedacht hatten.
So entstand die Systematik. Tatsächlich hat die Entscheidung, die Schule grundlegend zu reformieren – und zwar dahingehend, dass plötzlich überall WLAN war und jede*r ein Gerät hatte – zur Ruhe geführt. Denn es gab eine Entscheidung, in welche Richtung es geht. Das fanden vielleicht nicht alle gut und der digitale Hype war vielen auch zu viel. Es hat sich trotzdem niemand versetzen lassen, sondern alle haben weitergemacht. Jeder Teilbereich der Schule wurde dann nach und nach digitalisiert. Jetzt ist es völlig normal, dass wir über IServ als Plattform sprechen, dass wir ein digitales Klassenbuch haben und dass die Kinder hier ständig mit den Geräten herumlaufen.
Wie haben Sie es geschafft, im Kollegium alle mitzunehmen?
Es gibt diejenigen, die Entwicklung treiben - das sind die Freiwilligen, die Bock haben und sagen: Lass uns das machen, das ist super. Die stecken vielleicht auch den einen oder anderen an. Dann hast du diejenigen, die eine gemütliche Bewahr-Haltung haben, die sorgen für die solide Abdeckung des Unterrichts. Das ist auch gut. Und dann hast du eben die Grundsatz-Bedenkenträger*innen. Die sind aber gar nicht so unwichtig, weil du durch einen gewissen Innovationsdrang auch schnell Dinge übersiehst. Dann gibt es manchmal Probleme, die man gar nicht mehr sehen kann oder nicht sehen will. Dann bedeutet das manchmal auch, vielleicht wieder drei Schritte zurückzugehen und zu fragen: Was haben wir übersehen? Wo sind wir falsch abgebogen, dass wir Kolleg*innen verloren haben, insbesondere bei einem großen Kollegium? Diese Bedenkenträger*innen an sich sind für Entwicklungsprozesse sehr wichtig, da sie spiegeln, dass du manchmal zu schnell bist, möglicherweise nicht tief genug arbeitest und Dinge übersiehst. Wenn wir die nicht hätten, würden wir viel mehr Fehler machen.
Heute würde ich einer Schule, die anfängt, raten: Sprecht mit dem Schulträger, dass sofort jemand kommen muss, der*die zumindest die Technik macht, der*die das Gerüst und das Fundament baut. Wir sind keine ITler*innen und das ist eigentlich auch nicht unsere Aufgabe.
Wie ist das digitale Leben an der Waldschule Hatten organisiert?
Woher hatten Sie und Ihre Kolleg*innen anfangs das nötige Knowhow?
Ich glaube, wir haben viele falsche Schritte gemacht, weil wir nicht von vornherein Universitäten eingebunden haben. Man hätte jederzeit Studierende oder Promovierende her holen können mit dem Auftrag, das zu begleiten, was wir tun. Man macht dann ein Forschungsvorhaben daraus und sagt: Sei einfach da und guck dir an, was wir hier tun. Mach es messbar. Das würde ich allen raten, die anfangen!
Mittlerweile hat die Methode, alles nach und nach zu digitalisieren, auch dazu geführt, dass Digitalisierung gar nicht mehr im Vordergrund unserer Schule steht. Interessanterweise haben wir mittlerweile andere Themen auf der Agenda, nämlich Nachhaltigkeit und anderes. Das heißt, plötzlich ist das Digitale normal geworden.
Waldschule Hatten
Schulform:
Oberschule
Anzahl Schüler*innen:
850 (mit und ohne Förderbedarf)
Anzahl Lehrkräfte:
84
Schulträger:
Gemeinde Hatten
Digital seit:
2010
Technische Ausstattung:
Beamer in allen Tabletklassen inkl. Lehrer*innen PCs, Apple TV / Air Server (IServ), WLAN im ganzen Gebäude, zwei iPad-Koffer, Geräteverwaltung der Schüler*innen über MDM Server, Mobiler Beamerwagen, Tablets ab Klasse 7 (elternfinanziert)
Erfolgsfaktor für inklusive, digitale Bildung:
Fortbildungs-Karussell, Digi-Team, Netzwerken
Internetseite der Waldschule Hatten:
https://www.wsh-hatten.de/
Wie haben Sie die Fortbildungen für die Kolleg*innen organisiert?
Sofa haben wir in Auftrag gegeben, es hat rund 6.000 Euro gekostet. Wir haben dann mit der Gemeinde gesprochen, die wiederum die Förderrichtlinie vom Digitalpakt durchforstet hat. Da Lernplattformen förderfähig sind, haben wir das Geld erstattet bekommen. Das ist übrigens auch mein Grundsatz: Es gibt für alles Geld, du musst nur wissen, woher.
Was ist Ihre Rolle als Schulleitung in diesem Prozess?
Wie lief die Kommunikation mit dem Schulträger?
Was würden Sie einer Schulleitung raten, die sich auf den Weg machen will?
Wir machen nichts besser als andere. Aber wir kochen länger mit dem Wasser und wissen vielleicht an bestimmten Stellen, wann es überkocht oder wann es einfach mehr Gas braucht, um überhaupt warm zu werden. Diese Erfahrungen weiterzugeben – das ist schon sehr, sehr hilfreich.
Für den Start könnte man sich zum Beispiel ans Forum Bildung Digitalisierung oder an die Bitkom wenden und einfach sagen: Was gibt es schon in der Region? Könnt ihr uns Tipps geben? Man muss ja nicht immer quer durch Deutschland reisen. Mittlerweile gibt es auch gute Vernetzungsmöglichkeiten durch Videokonferenzen. Das haben wir alle durch Corona gelernt: Distanz lässt sich ziemlich schnell überwinden. Sich Netzwerken anzuschließen, ist im Moment tatsächlich der Schlüssel, um ganz schnell voranzukommen. Aber niemand wird uns einfach ein Konzept reichen und sagen: Hier – ihr müsst es jetzt nur noch machen!
Ausgezeichnete Schule
"Man muss nicht in allem perfekt sein"
Hauke Behrens ist Lehrer und didaktischer Leiter an der Waldschule Hatten. Da seine Schule zu den bundesweiten Vorreitern in Sachen digitale Bildung zählt, sind Tablets und Smartboards schon lange fester Bestandteil seines Schulalltags. Als didaktischer Leiter ist er dafür verantwortlich, das Digitalkonzept der Schule stetig weiterzuentwickeln und mit der inklusiven Ausrichtung der Schule zu verknüpfen.