Das wir gewinnt
Eine diverse Gruppe von acht älteren Jugendlichen liegt sternförmig im Kreis angeordnet auf dem Rücken im Gras. Alle haben die Augen geschlossen und lachen.
Eine diverse Gruppe von acht älteren Jugendlichen liegt sternförmig im Kreis angeordnet auf dem Rücken im Gras. Alle haben die Augen geschlossen und lachen.
Eine diverse Gruppe von acht älteren Jugendlichen liegt sternförmig im Kreis angeordnet auf dem Rücken im Gras. Alle haben die Augen geschlossen und lachen.

Inklusionsbarometer Jugend

Mit dem Inklusionsbarometer Jugend legt die Aktion Mensch erstmals eine Vergleichsstudie über die Teilhabechancen junger Menschen zwischen 14 und 27 Jahren in Deutschland vor. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Junge Menschen mit Beeinträchtigung haben in allen untersuchten Lebensbereichen eine deutlich schlechtere Chance auf Teilhabe, machen häufiger Diskriminierungserfahrungen, und es treiben sie öfter Zukunftssorgen um. Auch fällt es ihnen deutlich schwerer, Freundschaften zu schließen.

Jugendliche mit und ohne Beeinträchtigung: Ähnliche Interessen, unterschiedliche Teilhabechancen

Über 1.400 junge Menschen wurden für die Studie in persönlichen Interviews befragt. Etwa die Hälfte von ihnen hat eine Beeinträchtigung. In den Antworten der Studienteilnehmer*innen wird deutlich: Ihre Bedürfnisse und Herausforderungen ähneln sich, unabhängig davon, ob sie eine Beeinträchtigung haben oder nicht. Jedoch sehen sich junge Menschen mit Beeinträchtigung in allen fünf untersuchten Teilbereichen – soziale Beziehungen, Alltagsleben, Selbstbestimmung, individuelle Entfaltung und Diskriminierung – mit deutlich größeren Herausforderungen konfrontiert. So verbinden zwar junge Menschen mit und ohne Beeinträchtigung die gleichen Vorlieben bei der Freizeitgestaltung. Allerdings haben Erstere weniger Möglichkeiten, diese gleichberechtigt wahrzunehmen und dabei zu sein – beispielsweise aufgrund des eklatanten Mangels an Barrierefreiheit. Dies gilt ebenso für ihren Schul-, Ausbildungs- und Berufsalltag.

Die Studie zum Download

Titelseite der Studie "Inklusionsbarometer Jugend". Auf der oberen Hälfte der Seite ist das Foto einer diversen Gruppe von jungen Menschen zu sehen, die gemeinsam vor einer mit Graffiti besprühten Gebäudemauer abhängen. Darunter steht der Name der Studie.
Inklusionsbarometer Jugend; Eine Studie zu ungleichen Teilhabechancen von jungen Menschen in Deutschland. 166 Seiten, 58 Abbildungen, 20 MB

Präsentation zur Studie als Kurzversion

In einer 18-seitigen Präsentation sind die wichtigsten Informationen zum Aufbau und den Ergebnissen der Studie zusammengefasst. Allen, die sich einen schnellen Überblick verschaffen wollen, bietet sie als Kurzversion einen guten ersten Eindruck. 

Im Hinblick auf soziale Beziehungen geben junge Menschen mit Beeinträchtigung als wichtigste Stütze mit 72 Prozent die Familie an. Für junge Menschen ohne Beeinträchtigung liegen dagegen Freundschaften mit 86 Prozent auf Platz eins. Jungen Menschen mit Beeinträchtigung fällt es der Studie nach deutlich schwerer, neue Freundschaften zu schließen, als jungen Menschen ohne Beeinträchtigung. Freundschaften sind aber ein essenzieller Teil junger Lebenswelten, die die Persönlichkeitsentwicklung maßgeblich beeinflussen. Doch für den Aufbau von Freundschaften ist es wichtig, dabei sein zu können, was in vielen Fällen an physischen Barrieren oder Hemmungen und Unsicherheit scheitert, wie die beiden Inklusionsaktivist*innen Marie Lampe und Gramoz Krasniqi im Interview berichten. Infolgedessen fühlen sich junge Menschen mit Beeinträchtigung mit 26 Prozent doppelt so häufig einsam, wie junge Menschen ohne Beeinträchtigung. 

Die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick

Sechs Spalten mit den zentrale Ergebnisse des Inklusionsbarometers Jugend. In der ersten Spalte finden sich drei übergeordnete Ergebnisse. In den anderen fünf Spalten je drei Ergebnisse aus den Teilhabe-Dimensionen Beziehungen, Alltagsleben, Selbstbestimmung, individuelle Entfaltung und Nichtdiskriminierung
Grafik wie junge Menschen mit Behinderung (jMmB) und ohne Behinderung (jMoB) ihre Teilhabemöglichkeiten bewerten. In der Mitte ein Kreis mit dem Gesamtergebnis: jMmB 63,7 %; jMoB 72,2 Prozent. Darum herum sind kreisförmit die Tortengrafiken zu den Ergebnisse aus den fünf Teilaspekten angeordnet, aus denen sich das Gesamtergebnis  zusammensetzt, jeweils unterteilt in die Bewertung von jMoB und jMmB. Die Teilaspekte lauten: Teilhabe am Alltagsleben, durch Selbstbestimmung, durch individuelle Entfaltung, durch soziale Beziehungen und durch Nichtdiskriminierung.
* In allen fünf untersuchten Aspekten von Teilhabe bewerten junge Menschen mit Beeinträchtigung ihre Situation signifikant schlechter als Gleichaltrige ohne Beeinträchtigung. Bei der Teilhabe durch soziale Beziehungen ergeben die Aussagen junger Menschen mit Beeinträchtigung einen Indexwert von 68,9 - die von jungen Menschen ohne Beeinträchtigung einen Indexwert von 74,4. Bei der Teilhabe am Alltagsleben liegen die Indexwerte bei 56,0 zu 65,6. Bei Teilhabe durch Selbstbestimmung ergibt sich ein Verhältnis von 62,7 zu 69,0. Bei Teilhabe durch individuelle Entfaltung eines von 62,0 zu 72,5. Genauso deutlich ist der Unterschied beim Aspekt Teilhabe durch Nichtdiskriminierung: 68,9 zu 79,3.
Entsprechend liegt der Gesamtindex der Teilhabe bei jungen Menschen mit Beeinträchtigung mit 63,7 um fast 10 Skalenpunkte niedriger als bei Jugendlichen ohne Beeinträchtigung (72,2).

Darüber hinaus bemängelt mehr als die Hälfte, dass ihnen zu wenig zugetraut wird – gegenüber lediglich 29 Prozent der Jugendlichen ohne Beeinträchtigung. Das wirkt sich negativ auf das Selbstbewusstsein und das Gefühl der Selbstwirksamkeit aus. So glaubt die Hälfte der Befragten mit Beeinträchtigung, andere in ihrem Alter könnten viel mehr als sie selbst.

Mit ihrem Leben insgesamt zufrieden ist nur die Hälfte der befragten jungen Menschen mit Beeinträchtigung  – gegenüber mehr als drei Viertel derjenigen ohne Beeinträchtigung. Zudem treiben Erstere deutlich mehr Zukunftssorgen um.

Stimmen von Leuten, die es wissen müssen

Wir haben drei junge Erwachsene mit Beeinträchtigung, die sich sehr aktiv für mehr Inklusion einsetzen, zu ihren Erfahrungen im Hinblick auf Teilhabe im Jugendalter befragt. In Interviews erzählen sie, wie sie diese Lebensphase selbst erlebt haben, welche Faktoren aus ihrer Sicht eine wesentliche Rolle spielen und welchen Beitrag das Inklusionsbarometer Jugend der Aktion Mensch aus Ihrer Sicht leisten kann, um die Situation zu verbessern.
Eine junge Frau mit Down-Syndrom lehnt lässig an einer Mauer. Sie hat schulterlange blonde Haare, trägt eine Brille und einen blauen Hosenanzug aus Jeansstoff, und Sneaker mit Leopardenfell-Muster. Im Hintergrund Hausfassaden und Bäume.

"Wir sind coole Menschen, die auch mehr mitreden dürfen."

Als Aktivistin, Journalistin und Bloggerin engagiert sich Natalie Dedreux für Inklusion und gegen die Spätabtreibung von Ungeborenen mit Down-Syndrom. Wir haben mit ihr über die Teilhabechancen in ihrer Jugend gesprochen.
Eine junge Frau mit Blindenstock und ein junger Mann gehen spazieren. Im Vordergrund ist Wiese zu sehen. Im Hintergrund Säulen der Universität Potsdam.

Teilhaben lassen ist einfacher als viele denken

Marie Lampe studiert Soziale Arbeit und engagiert sich beim Verein Sozialhelden und als Jugendbeauftragte im Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband. Mit ihr sprachen wir über Teilhabechancen junger Menschen mit Beeinträchtigung.
Ein junger Mann in einem Elektrorollstuhl sitzt hinter einem Lehrerpult in einem Klassenzimmer. Hinter ihm sind eine große Landkarte und die Tafel zu sehen.

Drei Wege zu inklusiver Teilhabe

Gramoz Krasniqi ist Sozialarbeiter an einer inklusiven Schule und Rapper. Er sagt: Teilhabe hat viel mit Barrierefreiheit, Aufklärung und Empowerment zu tun.
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen: Eine gleichberechtigte Teilhabe aller Teilgruppen der Gen Z insgesamt sicherzustellen, ist bislang nur unzureichend gelungen. Ganz besonders gilt das im Hinblick auf die in sich heterogene Gruppe junger Menschen mit Beeinträchtigung. Mehr als 15 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention ein beschämendes Zeugnis und gleichzeitig ein Weckruf, Angebote für Jugendliche endlich inklusiv zu denken. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, alle jungen Menschen in die Gestaltung der für sie relevanten Lebensbereiche einzubeziehen.  

Handlungsansätze und Schlussfolgerungen

Abgeleitet von den Kernergebnissen der Studie lassen sich Gelingensfaktoren und Handlungsansätze als Schlussfolgerungen für verschiedene Akteur*innen formulieren, die im Jugendkontext tätig sind. Diese Hebel sind wichtige Faktoren für eine inklusive Gestaltung junger Lebenswelten und müssen intensiver als bislang verfolgt werden:
  • Diskriminierung vorbeugen und abbauen.
  • Inklusive Begegnung ermöglichen
  • Freizeitangebote inklusiv und barrierefrei ausrichten
  • Bildungswege inklusiv öffnen und ausbauen
  • Familien stärken und entlasten
  • (Soziale) Medien verstehen und kompetent nutzen
  • Selbstbestimmte Lebensführung individuell unterstützen
  • Persönlichkeitsentwicklung fördern und stärken
  • Beteiligungsangebote jugendgerecht gestalten

Was die Aktion Mensch tut

Seit inzwischen mehr als 20 Jahren fördert die Aktion Mensch mit dem Erlös ihrer Lotterie auch Projekte für Kinder und Jugendliche. Nach dem Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung ist die Aktion Mensch sogar der größte nichtstaatliche Förderer der Kinder- und Jugendhilfe mit einem bisherigen Gesamtfördervolumen von 367 Millionen Euro. Das Geld fließt in Projekte wie beispielsweise die inklusive Jugendredaktion von Radio Dreyeckland in Freiburg. Jeden Sonntag um 17 Uhr geht die Jugendredaktion mit der Sendung „Freistunde“ auf Sendung. Junge Menschen mit und ohne Behinderung aus allen Stadtteilen sind eingeladen, beim Projekt mitzumachen - auch vor dem Mikro. 
Vier Menschen stehen an einem Mischpult. Ein junger Mann sitzt mit einem Beatmungsgerät in einem Rollstuhl.

Über die Studie

Durchgeführt wurde die Studie von der Aktion Mensch in Zusammenarbeit mit dem Sozialforschungsinstitut Ipsos Public Affairs und einem Kreis von Ko-Forschenden. Er bestand aus einer jungen, divers zusammengesetzten Gruppe von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung im Alter der Befragten, die von der Planung bis zur Auswertung die Arbeit an der Studie in allen Phasen begleitet und mitbestimmt haben. So war sichergestellt, dass die Perspektive der Beforschten von Anfang an in die Studienentwicklung eingebunden war.

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Inklusive Bildung

Gemeinsam von Anfang an: Auf unserem Fachportal inklusion.de finden Sie alle wichtigen Informationen rund um inklusive Bildung an Schulen und anderen Lernorten. Für Pädagog*innen und alle Interessierten.
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Inklusions-Plattform

Damit Inklusion gelingt, müssen alle mitmachen: egal ob Schule, Arbeitsplatz oder öffentliches Leben. Im Fachportal Inklusion der Aktion Mensch findest du alle relevanten Informationen und Hilfestellungen, um Inklusion erfolgreich umzusetzen.