Italien gilt weltweit als Vorreiter und Vorbild inklusiver Beschulung. Bereits 1977 wurden im Zuge einer progressiven Schulreform nahezu sämtliche Sonderschulen und Sonderklassen – bis auf Einrichtungen für Blinde und Gehörlose - abgeschafft. Heute werden hier über 99 Prozent aller Kinder gemeinsam beschult. In Deutschland sind es inzwischen rund 43 Prozent.
Inklusion beschlossen und gemacht
Inklusion in der Bildung konnte sich in Italien wohl auch deshalb durchsetzen, weil im Vorfeld nicht groß darüber diskutiert wurde. Es wurde beschlossen und gemacht – ungeachtet schwieriger Bedingungen vor allem in der Anfangszeit. Die tiefgreifende Reform war nicht zuletzt eine Reaktion auf einen großen Bildungsnotstand. Noch bis in die 1960-er Jahren beendete ein Großteil der italienischen Schüler*innen – vor allem in der Landbevölkerung – den Bildungsweg nach fünf Jahren Grundschule. Kinder mit Behinderung wurden oft gar nicht zur Schule geschickt. Mit der ersten großen Reform 1962, die eine bis heute praktizierte gemeinsame Beschulung der sechs- bis 14-Jährigen einführte, war bereits ein erster Schritt in Richtung auf Integration vollzogen.
Wenn Italien heute auf über vier Jahrzehnte schulische Inklusion zurückblickt, dann war dies auch eine Zeit des Learning-by-Doing. Vieles wurde Schritt für Schritt ausgelotet, erprobt und angepasst. Dennoch gibt es immer noch Verbesserungsbedarf. Das betrifft vor allem die Ausbildung und Verfügbarkeit von Inklusionsfachkräften. Zwar sollten den Lehrer*innen an italienischen Schulen Sozialpädagog*innen und Mitarbeiter*innen für Integration zur Seite stehen. Wegen des Fachkräftemangels bleiben viele entsprechende Stellen jedoch unbesetzt. Zudem herrscht unter den Fachkräften eine hohe Fluktuation.