Natalie Dedreux: Teilhabe bedeutet, mitreden zu können
Interview mit Natalie Dedreux
Das Thema Teilhabe und Gleichberechtigung ist ein großes Anliegen von dir. Wie setzt du dich für mehr Teilhabe für Jugendliche mit Behinderung ein?
Genau, ich setze mich für Menschen mit Behinderung ein. Ich bin halt eine Aktivistin, die sich auch für deren Rechte einsetzt und dafür kämpft.
Und wie machst du das?
Ich geh' halt nach vorne. Ich zeige: Wir sind auch coole Menschen, die auch mehr mitreden dürfen.
Welche Erfahrungen hast du selbst mit dem Thema Teilhabe gemacht?
Also für mich hat es in der Jungendzeit sehr gut funktioniert. Das war ja in inklusiven Schulen, da haben wir gute Chancen gehabt, voneinander zu lernen. Wir haben da ein sehr gutes Verhältnis miteinander gehabt.
War es leicht, Kontakte zu knüpfen, zu Leuten aus der Klasse, die keine Behinderung hatten?
Ja, das war schon relativ einfach, Leute zu finden, ja.
Und habt ihr auch außerhalb der Schule etwas zusammen unternommen?
Ich war ja auch nicht ganz alleine. Also ich kannte da einen, der auch das Down-Syndrom hat. Mit dem habe ich dann viel in der Freizeit unternommen.
Hattet ihr auch eine Clique, zu der auch andere außer euch beiden gehörten?
Ja, wir waren da quasi mittendrin, mit dabei sozusagen.Einige Ergebnisse aus der Studie
Glaubst du, diese Studie, die die Aktion Mensch jetzt gemacht hat, kann helfen, um die Teilhabe von Jugendlichen mit Behinderung zu verbessern?
Ja, das würde ich sagen. Das hilft in jedem Fall, was zu verbessern. Weil, da geht es ja auch um mehr Angebote, damit sie sich auch wohlfühlen.
Was wäre aus deiner Sicht das, was man am dringendsten verbessern müsste?
Man müsste mehr Inklusion mal angehen. Überall, natürlich in der Freizeit oder auch in der Schule. Das ist das, was verbessert werden muss, weil das gibt es eigentlich nicht so oft.
Du lebst schon seit einigen Jahren in einer inklusiven WG. Wie leicht ist es dir gefallen, selbstständig zu leben mit anderen zusammen?
Ich finde das eigentlich ganz gut, selbstbestimmt zu leben. Da kann man über sich selbst bestimmen und das geht. Da fühlt man sich schon arg wohl dabei.
Und man ist ja auch noch mal sehr viel selbständiger, auch in der Freizeitgestaltung und der Organisation seines Lebens überhaupt.
Ja, genau. Der Plan ging auf in Erfüllung, in der WG zu wohnen, da sind auch sehr viele Leute, das kann ich sagen. Da ist sehr viel los, ja.
Unternehmt ihr als WG viel zusammen?
Ja, wir kochen alle zusammen und wir gehen auch gerne mal raus, machen Ausflüge zusammen.Inklusionsbarometer Jugend
Eine Studie zu ungleichen Teilhabechancen von jungen Menschen in Deutschland.
Herausgeber: Aktion Mensch.
Erscheinungsdatum 03. September 2024.
166 Seiten, 58 Abbildungen, circa 20 MB
Aus dem Inhalt:
- Teilhabe durch soziale Beziehungen
- Teilhabe am Alltagsleben
- Teilhabe durch Selbstbestimmung
- Teilhabe durch individuelle Entfaltung
- Teilhabe durch Nichtdiskriminierung
In der Studie haben viele junge Menschen mit Behinderung gesagt, dass sie sich nicht genug ermutigt fühlen, Dinge auszuprobieren. Dir fehlt dieser Mut nicht. Was würdest du anderen Jugendlichen raten? Wie können Sie es schaffen, Dinge zu tun, die sie gerne erleben möchten?
Ja, also da kann ich euch schon mal den Tipp geben, dass man nach vorne geht, dass man sich auch mal traut, auch mal nach draußen zu gehen und sagen: Wir sind natürlich auch wichtige Menschen. Eben, dass man sich ein bisschen zeigt.
Aber nicht jeder Mensch hat diesen Mut. Wie hast du das gelernt?
Na ja, ich hatte es auch so gelernt, dass ich innerlich stark war, dass ich mich getraut habe, nach vorne zu gehen.
So wie 2017, als du Angela Merkel in einer Wahlkampf-Sendung im Fernsehen gefragt hast, wie sie zu Spätabtreibungen von Menschen mit Down-Syndrom steht?
Mit ihr mal zu sprechen, also das war schon cool. Der Mut steckt ja quasi irgendwie in mir drin, dass ich mich getraut habe.
Konntest du als Jugendliche mal wegen deiner Behinderung bei irgendwas nicht mitmachen und hast dich darüber geärgert?
Also als Jugendliche konnte ich gut mitmachen und auch mitreden. Nur was heute noch das Thema ist und was mich noch ärgert, ist dass die Gesellschaft noch über uns Menschen mit Down-Syndrom redet und dass wir dann oft nicht zu Wort kommen und nicht richtig mitreden dürfen. Es muss mehr mit uns Menschen mit Down-Syndrom geredet werden.
Als Bloggerin und Aktivistin meldest du dich immer wieder zu Wort, wenn es um die Rechte von Menschen mit Behinderung geht. Hast du einen Vorschlag, wie die Meinung von jungen Menschen mit Behinderung besser einfließen kann, gerade wenn es um Themen geht, die sie selbst betreffen?
Damit auch die Jugendlichen Menschen mit Behinderung auch mehr in unserer Gesellschaft gesehen und auch mehr sichtbar werden und auch mit dazugehören und mehr mitreden dürfen: Deswegen ist es wichtig, dass für die Jugendlichen mit Behinderung mehr Inklusion gemacht werden muss. Weil Inklusion heißt, dass dann nicht über die Jugendlichen mit Behinderung geredet wird, sondern das dann mehr mit denen geredet wird.Natalie Dedreux
Natalie Dedreux wurde im Dezember 1998 in Köln geboren. Als Aktivistin, Journalistin und Bloggerin engagiert sie sich für Inklusion und gegen die Spätabtreibung von Ungeborenen mit Down-Syndrom. Zu diesen Themen gibt sie Interviews in Zeitungen, Radio- und Fernsehsendungen, betreibt einen eigenen Blog und Instagram-Account. Im Jahr 2017 wurde sie von der Bundesvereinigung Lebenshilfe mit deren Medienpreis Bobby geehrt. 2022 erschien ihr Buch "Mein Leben ist doch cool!"