Verstetigung in der VG Nieder-Olm
"Strategie Inklusion" setzt Ziele von Kommune Inklusiv fort
In der Modellkommune Verbandsgemeinde (VG) Nieder-Olm haben die Politiker*innen einstimmig einer Inklusions-Strategie zugestimmt. Das Kommune Inklusiv-Netzwerk aus Verbänden und Verwaltung hatte die "Strategie Inklusion" entwickelt. Damit verfolgt die Verbandsgemeinde die Ziele von Kommune Inklusiv dauerhaft weiter. Die Verbandsgemeinde hat außerdem entschieden, ihr Vorhaben für eine inklusive Gesellschaft unter dem Namen "Kommune Inklusiv VG Nieder-Olm" weiterzuführen.
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Ein Bewusstsein für Teilhabe ist in der Verbandsgemeinde Nieder-Olm vorhanden.
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Die Bürger*innen gestalten den Weg zu mehr Inklusion mit: Sie können sich an allen Projekten zur Strategie Inklusion beteiligen.
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Alle Menschen können gleichberechtigt am Leben und an der Gemeinschaft teilhaben.
Strategie Inklusion der VG Nieder-Olm
Unverzichtbar: Koordinierungsstelle, Steuerungsgremium und Netzwerk
Die Strategie Inklusion sieht vor, dass es eine hauptamtliche Koordinierungsstelle und ein Steuerungsgremium gibt.
Die "Koordinierungsstelle Kommune Inklusiv" ist als unbefristete Vollzeitstelle in der Verwaltung der Verbandsgemeinde geschaffen worden und wird auch von der Verbandsgemeinde finanziert. Seit Sommer 2023 arbeitet Nina Flick als hauptamtliche Koordinatorin in der Verwaltung. Zusammen mit anderen Stellen in der Verwaltung organisiert sie die Umsetzung der Strategie. Sie stimmt alle Aktivitäten zur Umsetzung aufeinander ab und bringt den Austausch aller Beteiligten voran. Sie arbeitet dabei unter anderem mit der Leiterin der Bürgerdienste Annette Hambach-Spiegler zusammen, zu deren Abteilung die Koordinierungsstelle Kommune Inklusiv gehört.
Das Steuerungsgremium berät den*die Bürgermeister*in und weitere Stellen in der Verwaltung. Es unterstützt den Austausch zwischen der Verbandsgemeinde und weiteren Menschen, die sich vor Ort für mehr Inklusion einsetzen. Das Gremium erarbeitet Strukturen, bringt neue Ideen ein und trifft Entscheidungen. In der Steuerungsgruppe sind die drei Personen-Gruppen vertreten, die die Strategie verwirklichen:
- Menschen aus der Verbandsgemeinde Nieder-Olm, beispielsweise aus dem Seniorenbeirat, dem Migrationsbeirat (zurzeit - Stand März 2025 - nicht besetzt), dem Beirat für Menschen mit Behinderung
- Entscheidungs-Träger*innen, beispielsweise Mitarbeiter*innen der Verbandsgemeinde-Verwaltung wie die Leiterin der Abteilung Bürgerdienste und die Integrations-Managerin
- Expert*innen, beispielsweise aus Senioren-Einrichtungen und Organisationen für Menschen mit Behinderung
Mitglieder der Steuerungsgruppe
Der Bürgermeister der VG Nieder-Olm hat die Mitglieder der Steuerungsgruppe im Oktober 2023 berufen. Im Einzelnen sind es (Stand November 2023):
- Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen, Mainz e.V. (ZsL Mainz)
- Gemeinnützige Gesellschaft für ambulante und stationäre Altenhilfe (GFA) mbH
- Nieder-Ramstädter Diakonie (NRD)
- Gesellschaft für psychosoziale Einrichtungen gGmbH (gpe Mainz)
- Lebenshilfe Mainz-Bingen, Wohnstätte Nieder-Olm
- Alloheim Seniorenzentrum Essenheim
- AZURIT Seniorenzentrum Sörgenloch
- in.betrieb gGmbH Gesellschaft für Teilhabe und Integration
- Beirat für Menschen mit Behinderung
- Seniorenbeirat
- Mitarbeiter*innen der Verbandsgemeindeverwaltung
- Einzelpersonen
Außerdem gibt es weiterhin ein Netzwerk, das Inklusion in der Verbandsgemeinde voranbringt. Zum Netzwerk gehören neben den Mitgliedern der Steuerungsgruppe weitere Einrichtungen, Unternehmen, Vereine und Bürger*innen aus der Verbandsgemeinde. Zwei Arbeitsgruppen von Kommune Inklusiv arbeiten weiter, zu den Themen Gesundheit und Freizeit. Sie setzen Projekte um wie inklusive Koch-Projekte, inklusiven Schwimm-Unterricht für Kinder und Jugendliche oder Fragebögen in Leichter Sprache, die Menschen mit Behinderung, mit Demenz oder Menschen, die nicht gut Deutsch sprechen, besser auf Arztbesuche vorbereiten.
Seit Herbst 2024 hat die Verbandsgemeinde Nieder-Olm einen Beauftragten fürs Ehrenamt. Mit ihm arbeitet die Arbeitsgruppe Freizeit eng zusammen. Ziel ist, dass er Teilhabe und Inklusion bei seiner Arbeit von Beginn an berücksichtigt.
Aufgabe: Dem Netzwerk eine Struktur geben
Das gesamte Steuerungsgremium trifft sich etwa sechsmal im Jahr, Koordinatorin Nina Flick moderiert die Sitzungen. Es haben sich außerdem kleinere Gruppen gebildet, die sich mit einzelnen Themen genauer beschäftigen, beispielsweise mit der Organisation eines Netzwerktreffens.
Eine große Aufgabe ist es weiterhin, dem Netzwerk für Inklusion eine verbindliche Struktur zu geben. Verwaltung, Koordinationsstelle und Steuerungsgruppe klären, wie die Akteur*innen und Gremien am besten zusammenarbeiten und wer genau welche Aufgaben übernimmt. 2024 wurden sie dabei von einer Prozessbegleitung unterstützt. Dafür erhielt die Verbandsgemeinde Nieder-Olm Förderung von der Landes-Antidiskriminierungsstelle Rheinland-Pfalz. Auch künftig wollen die Akteur*innen, wenn nötig, zu einzelnen Themen den Rat der Prozessbegleitung einholen und dafür erneut eine Förderung beantragen.
Koordinatorin als Ansprechpartnerin für Projekt-Ideen
Wenn Akteur*innen vor Ort Ideen für ein Inklusions-Projekt haben, wenden sie sich damit an Koordinatorin Nina Flick. „Ich schaue dann, wohin es am besten passt“, sagt Nina Flick. „Sollte eine der Arbeitsgruppen sich damit beschäftigen? Muss die Steuerungsgruppe darüber noch einmal sprechen? Lassen sich weitere Kooperationspartner*innen finden, um an der Idee weiterzuarbeiten?“
Oft kommen die Ideen von Partner*innen aus dem Netzwerk - aus Gremien wie dem Beirat für Menschen mit Behinderung oder aus den Arbeitsgruppen. Auch kommen immer öfter lokale Vereine und Initiativen auf Kommune Inklusiv zu, mit Ideen für Veranstaltungen oder erst einmal einfach mit dem Wunsch, eine bestimmte Sache für Menschen aus ihrer Zielgruppe zu verbessern. „Wir merken: Das Bewusstsein vor Ort wächst, dass wir Dinge zusammen besser schaffen, dass sich Ressourcen gemeinsam besser aufteilen und einsetzen lassen“, sagt Nina Flick.
Ein Leitbild für vielfältiges Leben
Ein wichtiger Bestandteil der Strategie Inklusion ist das Leitbild für mehr Inklusion in der Verbandsgemeinde, die Charta für ein vielfältiges Leben . Die Charta ist eine Art Grundregel-Katalog für die Strategie: So verpflichten sich alle, die die Charta unterzeichnen, zu gegenseitigem Respekt und Wertschätzung. Sie wollen die Würde und Rechte aller Menschen achten und sich gegenseitig dabei unterstützen, Barrieren zu beseitigen und Diskriminierung zu vermeiden.
Die Verbandsgemeinde und die Mitglieder der Steuerungsgruppe haben die Charta unterzeichnet – und alle weiteren Organisationen, Unternehmen, Vereine, Nachbarschafts-Gruppen und Einzelpersonen aus der VG Nieder-Olm können das ebenfalls tun. Wer die Charta unterschreibt, erklärt sich dazu bereit, Inklusion in der Verbandsgemeinde Nieder-Olm aktiv voranzubringen. Der Anspruch dabei lautet: „Wir müssen jetzt noch keine perfekte inklusive Kommune sein – doch wir wollen immer wieder darüber reden und daran arbeiten.“
Neue politische Instrumente entwickelt

Um die Strategie umzusetzen und die Ziele zu erreichen, entwickelt das Kommune Inklusiv-Netzwerk neue politische Instrumente. Es hat diese Instrumente „Inklusions-Vorbehalt“ und „Inklusions-Folgenabschätzung“ genannt. Inklusions-Vorbehalt bedeutet: Bei jeder Entscheidung prüft die Verbandsgemeinde vorher, ob die Entscheidung wichtig ist für Inklusion. Und ob sie sich auf die Teilhabe der Menschen auswirkt. Falls ja, folgt die Inklusions-Folgenabschätzung: Die Verantwortlichen prüfen, wie sich die Entscheidung auswirkt, also welche Folgen sie hat.
Das Kommune Inklusiv-Team hat für diese neuen Instrumente ein vorhandenes politisches Instrument als Vorbild genommen: die sogenannte Gesetzesfolgenabschätzung. Die besagt: Die Bundespolitik muss die möglichen Folgen eines neuen Gesetzes herausfinden und bewerten, bevor sie es verabschieden kann. Nach diesem Prinzip soll nun auch die Inklusions-Folgenabschätzung in der Verbandsgemeinde Nieder-Olm funktionieren.
Ziel ist, dass nicht nur Verwaltung und Lokalpolitik diese Instrumente anwenden. Auch Kirchengemeinden, Unternehmen und soziale Einrichtungen sollen sich bei neuen Projekten und Maßnahmen fragen: Was müssen wir beachten, damit alle Menschen nach Umsetzung der Maßnahme teilhaben können? Welche Barrieren müssen wir dafür gegebenenfalls beseitigen?
Bei jeder Planung über Teilhabe nachdenken
Die Leiterin der Abteilung Bürgerdienste in der VG Nieder-Olm Annette Hambach-Spiegler erzählt in diesem Video mehr über die gewünschten Wirkungen des Inklusions-Vorbehalts und der Inklusions-Folgenabschätzung.
Arbeitsgruppe für Umsetzung in die Praxis gegründet
In der Verwaltung der Verbandsgemeinde Nieder-Olm hat sich eine Arbeitsgruppe gegründet, um herauszufinden, wie bei allen Entscheidungen in der Praxis Inklusion direkt mitgedacht werden kann. Mitarbeiter*innen aus allen Abteilungen der Verwaltung sind in der Arbeitsgruppe.
Zunächst mussten sie sich darüber verständigen, was sie unter dem Begriff Inklusion verstehen und weshalb es wichtig ist, bei allen Entscheidungen die Teilhabe aller Menschen zu berücksichtigen. Nun arbeiten sie daran, einen einheitlichen Ablauf für die unterschiedlichen Entscheidungsprozesse in der Verwaltung zu finden. Zu klären sind unter anderem zunächst folgende Fragen: Zu welchem – frühestmöglichen – Zeitpunkt in den Prozessen sollte die Prüfung stattfinden? Welche Auswirkungen hat die Entscheidung auf alle Menschen? Und wie sollte diese Prüfung gestaltet sein, damit sie bei Entscheidungen ohne großen Aufwand einfach mitlaufen kann?
Erarbeiten muss die Arbeitsgruppe außerdem, wie später alle Mitarbeiter*innen der Verwaltung dafür gewonnen werden können, die Instrumente für mehr Inklusion selbstverständlich anzuwenden.
Schritt für Schritt zur Strategie Inklusion
Um das Vorhaben Kommune Inklusiv in der VG Nieder-Olm erfolgreich zu verstetigen, hatte das Kommune Inklusiv-Team während der Modellinitiative Nachhaltigkeit von Beginn an mitgedacht: In Reflexionsrunden und Workshops hatte das Netzwerk gemeinsam mit der Prozessbegleitung Ideen entwickelt, wie es mit Kommune Inklusiv nach fünf Jahren Projektlaufzeit weitergehen und wie die Verbandsgemeinde Nieder-Olm die erarbeiteten Wirkungsziele konsequent weiterverfolgen kann. Auf diese Arbeit konnte die Steuerungsgruppe in der Folge gut aufbauen.
Dann kam 2020 die Pandemie. Durch Lockdowns waren Veranstaltungen und Aktionen vor Ort nicht mehr möglich – so wurden Ressourcen frei. Die Kommune Inklusiv-Steuerungsgruppe beschloss, jetzt noch mehr Zeit und Energie in die Zukunft des Vorhabens zu stecken und begann mit der Arbeit an der Inklusions-Strategie. Das Ziel: Einen Plan zu entwickeln, wie sich die Strukturen in der VG Nieder-Olm ändern können und müssen, damit Inklusion in allen Bereichen dauerhaft mitgedacht wird.
Offizieller Auftrag des Bürgermeisters
Die Steuerungsgruppe beschloss, sich vom Bürgermeister der VG Nieder-Olm den offiziellen Auftrag abzuholen, eine Inklusions-Strategie für die Verbandsgemeinde zu entwickeln. Dieses Mandat erteilte der Bürgermeister im Herbst 2020. Die Kommune Inklusiv-Steuerungsgruppe bildete daraufhin ein Strategie-Team, das die Strategie Inklusion erarbeitete. Anfang 2022 legte das Strategie-Team seinen Entwurf der Steuerungsgruppe vor. Diese leitete den Entwurf an den Bürgermeister weiter. Der Bürgermeister gab ihn in den Ausschuss für Generationen, Soziales, Kultur und Migration. Im März 2022 stimmte der Ausschuss einstimmig für den Entwurf und leitete ihn an den Rat der Verbandsgemeinde weiter. Der Rat entschied sich im Mai 2022 ebenfalls einstimmig für die Strategie Inklusion.
Bürger*innen nach und nach einbeziehen
Die Akteur*innen und Verantwortlichen in der Verbandsgemeinde Nieder-Olm setzen die Strategie nun weiter schrittweise in die Praxis um: Verwaltung, Politik, Verbände, Einrichtungen und Bürger*innen gemeinsam. Nach und nach müssen alle Mitarbeiter*innen in der Verwaltung, alle Lokalpolitiker*innen und alle Bürger*innen informiert, mitgenommen und einbezogen werden - über persönliche Ansprache, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Formen der Partizipation.
Alle Menschen sind aufgerufen mitzuwirken
Ein Ziel der Kommune Inklusiv-Akteur*innen in der VG Nieder-Olm: Jeder Mensch träge vor Ort einen Teil dazu bei, die Verbandsgemeinde inklusiver zu gestalten. „Jeder und jede Einzelne kann mitmachen“, sagt Nina Flick. „Wir brauchen im Alltag alle Menschen für mehr Inklusion.“
Viele Menschen wollten sich engagieren und kämen mit Ideen zu ihr, erzählt die Koordinatorin. Einige Initiativen haben Bürger*innen bereits gestartet: Beispielsweise hat eine Bürgerin einen Gebärdensprache-Stammtisch ins Leben gerufen. Menschen mit und ohne Hörbehinderung treffen sich und kommunizieren miteinander.
Andere engagieren sich dafür, dass das Angebot gegen Einsamkeit „Geselliger Mittagstisch“ um ein „Geselliges Abendbrot“ ergänzt wird. Das Angebot fürs gemeinsame Kochen und Essen startete im Frühjahr 2022.
Mehr Offenheit zu spüren
Worüber Nina Flick sich außerdem freut: Wenn Menschen vor Ort ihr sagen, dass sie merkten, die Verbandsgemeinde sei eine offene und tolerante Gesellschaft. Und dass sich diese Offenheit weiter entwickele. „Genau das ist das Ziel“, so die Kommune Inklusiv-Koordinatorin. „Dass die Menschen mehr Gemeinschaft und Toleranz in möglichst allen Bereichen des täglichen Lebens spüren.“
„Geselliger Mittagstisch“ im Fernsehen
Inklusion von Anfang an mitdenken - ein Beispiel aus der Lokalpolitik
Ein Erfolg der Strategie zeigte sich schon in der Erarbeitungsphase: Die Arbeit an der Inklusions-Strategie und die Planung eines neuen Feuerwehrhauses liefen zeitlich parallel, waren aber nicht miteinander verknüpft. Im Frühjahr 2022 stellte das Kommune Inklusiv-Strategieteam den Entwurf der Inklusions-Strategie den Lokalpolitiker*innen im Fachausschuss für Soziales vor, der die Strategie einstimmig beschloss. In diesem Sozial-Ausschuss saßen zwei Lokalpolitiker, die als Feuerwehrleute für das Thema Feuerwehr im Verbandsgemeinderat zuständig sind. Als die Architekt*innen ihr erstes Konzept für das Feuerwehrhaus im Bau-Ausschuss präsentierten, waren diese Feuerwehrleute auch dabei und schauten genau hin. Ihnen fiel auf, dass die Architekt*innen für den Weg zum Haupteingang einen nicht für Rollstühle und Rollatoren geeigneten Belag aus Schotter geplant hatten. Außerdem hatten sie als Eingangstür eine Tür eingeplant, die sich nicht automatisch öffnet. Die Feuerwehrleute kritisierten im Bau-Ausschuss, dass das neue Feuerwehrhaus so nicht barrierefrei wäre. Das Architekturbüro bekam den Auftrag, den Entwurf nachzubessern.
Dadurch, dass die Feuerwehrleute sich im Sozialausschuss mit der Inklusions-Strategie beschäftigten, die Wirkungsziele kannten und ihnen zustimmten, hatte sich ihr Blick verändert. Sie dachten Inklusion von Anfang an mit.