"Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann."

Nachgefragt bei Thorsten Garske, Leiter Fördermittel und Fundraising beim Sozialwerk St. Georg in Nordrhein-Westfalen.

Sie haben bei der Aktion Mensch am Seminar zur wirkungsorientierten Projektplanung teilgenommen. Was war der Anlass dafür?

Wir wollen mit unserer Organisation etwas verändern und nicht einfach irgendein Beratungsangebot machen. Das Sozialwerk St. Georg wurde vor 70 Jahren gegründet, um Menschen mit psychischen Erkrankungen zu ermöglichen, gleichberechtigt in der Gesellschaft  leben zu können. Wir sind angetreten, um Not zu lindern. Wir ermöglichen, dass Menschen sich verändern können. Das ist ja das Thema Wirkung. Vor ungefähr zehn Jahren ist das Sozialwerk in einen Entwicklungsprozess gegangen. Wir haben überlegt: Wie können wir messen, was unsere Dienstleistungen bei den Menschen verändern? Vor vier Jahren habe ich eine Fortbildung des Anbieters Phineo zum Wirkungs-Manager gemacht. Ich habe gelernt, den Blick nicht nur auf das Problem, die Analyse und die Lösung zu richten. Sondern auch auf Ressourcen und Unterstützung, die ich generieren kann. Danach habe ich an dem Fortbildungs-Zyklus von Aktion Mensch teilgenommen. Kommune Inklusiv geht beim Thema Wirkung noch einen Schritt weiter Richtung Haltung und Strukturen ändern. Die Instrumente, die wir da vermittelt bekommen haben, habe ich dann sukzessive in unsere Arbeit einfließen lassen. Gerade mache ich noch eine Weiterbildung zum Thema Wirkung bei der Landesstiftung Umwelt und Entwicklung. Es geht darum, wie sich Verhaltensänderungen erreichen lassen. 

Hatten Sie einen Aha-Effekt in Sachen wirkungsorientierte Projektplanung?

Ja. Dass ich gegenüber Außenstehenden sichtbarer machen kann, warum wir etwas tun. Dadurch empfinde ich eine enorme Arbeitserleichterung. Klar, es ist erst einmal ein Aufwand, wirkungsorientierte Projektplanung zu lernen. Es vereinfacht meine Arbeit aber ungemein. Ich spreche jetzt zum Beispiel mit Stiftungen eine Sprache und kann Fragen schneller und klarer beantworten und um Unterstützung werben. Wirkungsorientierte Projektsteuerung gibt mir Handlungssicherheit.

Wie haben Sie es geschafft, die wirkungsorientierte Projektplanung ins Team zu bringen und die Kolleg*innen davon zu überzeugen, dass sich der Mehraufwand lohnt?

Da war ich in einer relativ komfortablen Situation. Mein Team ist erst entstanden, nachdem ich mich dem Wirkungsthema systematisch genähert habe. Im Rahmen der Einarbeitung gehörte das dann selbstverständlich dazu. Meine Kolleg*innen nehmen auch an der Fortbildungsreihe von Kommune Inklusiv teil und lernen dazu. Wir kommunizieren intern, dass wir mit Hilfe der wirkungsorientierten Planung sehr überzeugende Förderanträge schreiben können. Ich sehe das auch nicht als Mehraufwand. Es ist eine Frage, wie ich denke und plane. Denke ich vom Angebot her oder vom Nutzen für die Menschen, für die wir da sind?

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Ein Mann und eine Frau stehen vor einer Gruppe von Menschen und moderieren

Oft denken Akteur*innen und Engagierte in Maßnahmen statt in Wirkungszielen. Was tun Sie gegen diese Gewohnheit?

Ein Patentrezept kann ich nicht liefern. Aber wenn Kolleg*innen mit einer Projektidee zu mir kommen und fragen, ob es dafür Fördermöglichkeiten gibt, dann frage ich solange nach, bis die Wirkungsziele hervorkommen. Ich fokussiere auf: Was verändert dein Projekt für die Menschen? Was steht in fünf Jahren in der Zeitung über dein Projekt? Was ist der Impact? Wie verändert sich die Selbstbestimmung, Unabhängigkeit und gesellschaftliche Teilhabe der Zielgruppen?

Wirkungsorientierung bedeutet ja auch, die Zielgruppe in die Planung mit einzubeziehen. Wie machen Sie das?

Wir haben mehrere Instrumente dafür. Einmal nutzen wir unsere Beiräte in den Wohneinrichtungen. Über diese Zielgruppenvertreter*innen erhalten wir ziemlich ausdifferenzierte Wünsche und Themen. Ich versuche diese dann zu förderfähigen Projekten zu verknüpfen. Beispiel: Digitale Teilhabe. Unsere Bewohner*innen wollen im Internet unterwegs sein und sich über Soziale Medien mit anderen verbinden. Einige tun das schon und haben gute digitale Kompetenzen. Wir haben sie dann gefragt: Wollt ihr nicht den anderen euer Netzwissen näher bringen? Aus dieser Idee haben wie eine Peer-Beratung aufgebaut, die sehr gut funktioniert.  Außerdem bekommen wir über unsere regelmäßigen Interviews und Zukunftskonferenzen mit Klient*innen und Angehörigen einen unschätzbaren Datensatz an Wünschen, Ziele und Vorstellungen. Und dann haben wir auch noch hunderte Mitarbeiter*innen, die die Menschen im Alltag in teilweise sehr intimen Situationen begleiten. Die können wir als Stellvertreter*innen ebenfalls befragen, wenn wir die Menschen selber nicht fragen können.

Wenn jemand noch nie wirkungsorientiert geplant hat, wie fängt er oder sie an?

Der erste Schritt ist umdenken. Es gibt so ein schönes Plakat, da ist ein Kopf drauf und da steht: Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann. Mein Rat: Vergessen Sie am besten erst mal, was Sie gelernt haben. Vergessen Sie auch, was Sie für ein Angebot machen möchten. Beschäftigen Sie sich mit der Zielgruppe. Versetzen Sie sich in deren Lage und finden Sie heraus, was sie braucht. Sprechen Sie mit Vertreter*innen der Zielgruppe oder Stellvertreter*innen und finden Sie heraus, was ihr Leben verbessert. Das ist eigentlich nichts Neues. Als ich vor 35 Jahren in die Behindertenhilfe gegangen bin, hatte ich nicht vor, mich mit Auflagen der Heimaufsicht zu beschäftigen, mit Arbeitszeitregelungen, mit Hygienevorschriften vom Gesundheitsamt oder mit Dokumentationspflichten. Ich wollte als 20-Jähriger für Menschen mit Behinderung etwas verbessern. Und dann habe ich bei verschiedenen Trägern angefangen und gelernt, wie wichtig Dienstplanungen, Team-Absprachen und Angebote sind. Als ich dann zur wirkungsorientierten Projektarbeit kam, sagten die Referent*innen und Profis: „Vergiss das Organisatorische für einen Moment und konzentriere dich darauf, was du für die Zielgruppe verändern kannst!“ Stimmt, deswegen hatte ich ja den Beruf gewählt!

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