Verstetigung in Erlangen
Engagement mit den Menschen aus den Zielgruppen geht weiter
Nach dem offiziellen Ende der Initiative Kommune Inklusiv Erlangen im Dezember 2023 steht fest: Die Stadt Erlangen wird die Stelle einer Kommune Inklusiv-Koordination nicht aus eigenen Mitteln finanzieren. Dennoch laufen verschiedene Projekte weiter, getragen von anderen Organisationen und Vereinen. Auch die vormalige Kommune Inklusiv-Koordinatorin Ina Fischer vom Zentrum für Selbstbestimmtes Leben (ZSL) macht weiter: Sie wird sich in neuen Projekten für die Rechte und die Perspektiven von Menschen mit Behinderung einsetzen.
Haltung der Menschen hat sich geändert
Eine weitere Wirkung von Kommune Inklusiv in Erlangen: Die Haltung der Menschen vor Ort hat sich verändert. Das berichten Menschen aus den Zielgruppen. So sagen Menschen mit Hörbehinderung, dass es mehr Anerkennung für gehörlose Menschen gebe. Ältere Menschen erzählen, dass sie sich gestärkt fühlten und mit anderen Augen durch die Stadt gingen. Kommune Inklusiv habe zudem die Zusammenarbeit von Gruppen und Organisationen wiederbelebt und verstärkt.
Menschen mit Behinderung zu ihren Rechten beraten
Die ehemalige Netzwerk-Koordinatorin Ina Fischer führt ihre Inklusions-Arbeit fort: Noch gemeinsam mit dem Kommune Inklusiv-Team hatte sie die Idee für ein Projekt zum Thema Rechte für Menschen mit Behinderung entwickelt. Die Aktion Mensch fördert das Projekt „Alles was Recht ist“ seit Mai 2024 für vier Jahre.
Das Team hatte während der Laufzeit von Kommune Inklusiv Erlangen festgestellt: Inklusion kann nur dann richtig funktionieren, wenn die Menschen vor Ort wissen, welche Rechte sie haben. Beispielsweise sei das Bundesteilhabegesetz so kompliziert geschrieben, dass viele Menschen es nicht richtig verstünden, sagt Ina Fischer. Im Projekt will sie barrierefrei über die aktuellen Gesetze informieren und Menschen mit Behinderung bestärken, ihre Rechte einzufordern. Zudem will sie Vertreter*innen von Verwaltung und juristisches Fachpersonal für das Thema Behinderung sensibilisieren.
Verständnis für Behinderung vermitteln
Das neue Rechte-Projekt knüpft in diesem Aspekt an das Projekt Perspektivwechsel des ZSL an, das die Aktion Mensch im Rahmen von Kommune Inklusiv gefördert hat und das das ZSL nun weiterführt. Das Projekt Perspektivwechsel vermittelt Verständnis dafür, was das Leben mit Behinderung bedeuten kann. Es ist nun auch Teil des Rechte-Projekts: Ina Fischer will mit dem Perspektivwechsel-Team Jurist*innen und Mitarbeiter*innen aus der Verwaltung ein Bewusstsein für die Wünsche und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung schaffen.
Bisher sind beim Projekt Perspektivwechsel Menschen mit Behinderung beispielsweise in Schulklassen, Berufsschulklassen oder Kultureinrichtungen gegangen. Sie erzählen davon, wie sie den Alltag erleben und wie sie das Unterwegssein in der Stadt wahrnehmen, auf welche Barrieren sie stoßen. Außerdem gibt es Aktionen wie einen Hindernis-Parcours, den die Teilnehmer*innen mit einem Rollstuhl fahren. Oder Spaziergänge, in denen Teilnehmer*innen eine Augenbinde oder eine Simulationsbrille tragen, um nachzuvollziehen, wie es sich anfühlen kann, mit einer Sehbehinderung durch die Stadt zu gehen.
Erlangens Teilhabebericht mit verfasst
2023 brachte das Sozialreferat der Stadt Erlangen erstmals einen Teilhabebericht heraus. Akteur*innen aus der Strategiegruppe und das Koordinator*innen-Team von Kommune Inklusiv verfassten ihn mit. Auch Menschen aus den Zielgruppen, die sich bei Kommune Inklusiv engagierten, brachten ihr Wissen, ihre Erfahrungen und Sichtweisen in den Bericht ein, beispielsweise zu den Themen Armut, Wohnen und Unterstützung bei Pflegebedürftigkeit. Zu diesen Themen gab es Arbeitsgruppen, in denen die Kommune Inklusiv-Akteur*innen mitarbeiteten. Für die Teilhabebericht-Projektleitung hatte die Stadt den „Ratschlag für soziale Gerechtigkeit “ beauftragt, einen Zusammenschluss von etwa 50 Initiativen, Verbänden, Gewerkschaften, Parteien und Kirchen, dem auch das ZSL angehört.
Der Bericht enthält unter anderem Empfehlungen, wie die Stadt die Teilhabe aller Menschen in Erlangen erreichen kann. Das Leitbild lautet: „Jeder Mensch hat gleiche Chancen, am gesellschaftlichen, sozialen, kulturellen Leben teilzuhaben, selbstbestimmt und in sicheren Lebensverhältnissen zu leben.“ Kommune Inklusiv-Akteur*innen, weitere Engagierte und die Stadt setzen diese Empfehlungen nun nach und nach um.
Die Idee "Bürgerservice im Viertel" lebt weiter
Kommune Inklusiv Erlangen unterstützte die Quartiersarbeit im Stadtviertel Büchenbach. Dort lebt etwa ein Fünftel der Einwohner*innen Erlangens. Der Projektleiter der AWO-Quartiersarbeit in Büchenbach brachte folgende Idee in die Strategiegruppe von Kommune Inklusiv ein: Da so viele Menschen im Stadtteil wohnen, sollte die Verwaltung eine Anlaufstelle für Bürgeramt-Dienstleistungen direkt in Büchenbach einrichten. Die Bürger*innen könnten diese Anlaufstelle einfacher erreichen als das Rathaus im Zentrum. Die Diakonische Runde, ein Zusammenschluss aller sozialen Einrichtungen Büchenbachs, engagierte sich ebenfalls für die Idee. Die Akteur*innen sprachen mit den Büchenbacher Bürger*innen und brachten die Idee in Verwaltung und Politik ein. Die Stadt lehnte die Idee allerdings ab und verwies auf die Möglichkeit, digitale Dienstleistungen zu nutzen. Fazit der Akteur*innen: „Zu einem späteren Zeitpunkt werden wir das Thema wieder auf die Tagesordnung setzen.“ Auch wenn das Engagement im ersten Anlauf nicht erfolgreich war: Die Idee ist in der Welt und wird weiter verfolgt.
Bewerbungsprozess für Kommune Inklusiv brachte Inklusion voran
Inklusion ist in Erlangen schon länger ein wichtiges Thema. Seit den achtziger Jahren setzen sich dort Menschen mit Behinderung für ihre Belange ein, unter anderem beim ZSL Erlangen. Die Verwaltung denkt Barrierefreiheit mit.
Die Bewerbung Erlangens für Kommune Inklusiv gab dieser Entwicklung einen weiteren Schub. Bereits der Bewerbungsprozess trug dazu bei, dass Inklusion noch wichtiger wurde. So berichtet Elisabeth Preuß, damalige Sozialbürgermeisterin und Mit-Initiatorin von Kommune Inklusiv Erlangen, von der Stelle für Inklusion, die die Verwaltung zu Beginn von Kommune Inklusiv einrichtete. Ohne Kommune Inklusiv, sagt Preuß, wäre die unbefristete Stelle der Inklusionsbeauftragten nicht zu diesem Zeitpunkt entstanden.
Die Inklusionsbeauftragte entwickelte unter anderem Seminare für die Volkshochschule zum Thema „Veranstaltungen für alle planen und organisieren“. Das Expert*innenwissen von Kommune Inklusiv half dabei: Grundlage der VHS-Seminare ist ein Handbuch der Stadt zu inklusiver Planung von Veranstaltungen , an dem das Kommune Inklusiv-Team mitarbeitete.
Wichtige Projekte gehen weiter
Kommune Inklusiv Erlangen hatte zwei große Zielgruppen: Menschen, die einsam sind, und Menschen mit Hörbehinderung. Mit Menschen aus beiden Zielgruppen hat Kommune Inklusiv Projekte entwickelt, die nun weiterlaufen.
Arbeitsgruppe für Gemeinsamkeit
Während der Laufzeit von Kommune Inklusiv gab es zwei Arbeitsgruppen, die sich mit Maßnahmen gegen Einsamkeit befassten und in denen auch Menschen aus den Zielgruppen aktiv waren. Das Koordinatoren-Team leitete die Arbeitsgruppe Einsamkeit. Dort ging es vor allem darum, wie sich Menschen aus der Zielgruppe am besten ermutigen lassen, an Aktionen und Angeboten teilzunehmen. Und wie möglichst viele Menschen in der Stadt für das Thema Einsamkeit sensibilisiert werden können. Die andere Arbeitsgruppe wurde von der Kommune Inklusiv-Partnerin Gesundheitsregion Plus geleitet, einem Netzwerk für gesundheitliche Chancengleichheit. Diese Arbeitsgruppe recherchierte konkrete Angebote gegen Einsamkeit in den Stadtvierteln: offene Treffs, Aktionen, Kurse. Mit dem Ende von Kommune Inklusiv übernimmt nun die Verantwortliche bei der Gesundheitsregion Plus die Leitung. Die zwei Arbeitsgruppen wurden zu einer Gruppe zusammengeführt. Erstes großes Projekt der neuen Arbeitsgruppe für Gemeinsamkeit ist, die Liste mit den mehr als 100 Angeboten mit Unterstützung der Anbieter zu veröffentlichen und in den Stadtvierteln zu verteilen.
Gebärdensprachliche Unterstützung bei Notfällen
Zusammen mit Kommune Inklusiv entwickelten das Bayerische Rote Kreuz Erlangen-Höchstadt und die Feuerwehr Erlangen im Jahr 2020 das bundesweit erstmalige Angebot „Gebärdensprachliche Notfallunterstützung “ für Stadt und Landkreis. Wenn ein Mensch mit Hörbehinderung in Notfällen nicht mit Polizei, Feuerwehr oder Krankenhaus kommunizieren kann, alarmiert die Feuerwehr ehrenamtliche Helfer*innen, die Gebärdensprache sprechen. Diese übersetzen dann vor Ort. Hintergrund ist, dass ausgebildete Gebärdensprach-Dolmetscher*innen in Notfällen oft nicht kurzfristig vor Ort sein können. Dafür gibt es in Deutschland zu wenige diplomierte Übersetzer*innen. Feuerwehr und Bayerisches Rotes Kreuz suchen für das Projekt nun weitere ehrenamtliche Helfer*innen aus Erlangen und Umgebung.