"Uns fiel es plötzlich viel leichter, Lösungswege zu finden"
Die damalige Kommune Inklusiv-Projektkoordinatorin Anja Schulz zum Thema, wie die Modellkommune Rostock die Methode Wirkungs-Check nutzt und wann er zum Aha-Moment geführt hat.
Warum nutzen Sie den Wirkungs-Check?
Als wir in Rostock mit Kommune Inklusiv die Hälfte der Projektlaufzeit erreicht hatten, haben wir bemerkt, dass manche Maßnahmen nicht wirken. Wir wollten wissen: Wo liegt das Problem? Das im Kopf zu sortieren war unmöglich. Dann haben wir uns den Wirkungs-Check vorgenommen und ihn an unsere Arbeit angepasst.Im ersten Schritt haben wir mit dem Steuerungs-Gremium noch mal besprochen: Welche Vision haben wir? Wie sieht ein inklusives Rostock aus und welche Ziele leiten sich daraus ab? Dann haben wir überlegt: Wie soll die Strategie dahinter aussehen, wie soll der Weg dahin sein? Wie schaffen wir es, auf allen drei Ebenen – Haltung, Struktur und Aktivität – Bewusstsein für Inklusion zu schaffen? Die Antworten haben wir mit Unterstützung der Prozessbegleitung in einer Tabelle zusammengeführt. Uns fiel es plötzlich viel leichter, Lösungswege zu finden. Unsere Arbeit wurde übersichtlicher, verständlicher und greifbarer.
Wem empfehlen Sie die Methode?
Ich glaube, der Wirkungs-Check hilft allen, die zu Beginn eines Projekts einfach erstmal losgelegt haben. Das ging uns hier in Rostock jedenfalls so. Wir sind in die Aktivitäten reingegangen und haben uns dann gewundert, woran es hapert. Erst durch den Wirkungs-Check wurde uns bewusst, wie wichtig auch die beiden anderen Handlungsebenen sind – Struktur und Haltung.
Wie hat sich Ihre Arbeit durch den Wirkungs-Check verändert?
Er hat uns die Lücken aufgezeigt. Zum Beispiel wurde uns klar, dass sich Strukturen nie ändern werden, wenn die kommunale Verwaltung nicht mit im Boot ist. Ihr Fehlen war uns vorher gar nicht aufgefallen. Nach und nach wurde uns durch den Wirkungs-Check klar, wer für was zuständig ist, wer noch fehlt für die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen und wo offene Fragen sind, die wir klären müssen, bevor wir loslegen. All das hat plötzlich wunderbar funktioniert. Einige Maßnahmen haben wirklich noch mal strategische Wendepunkte erreicht.
Zum Beispiel?
Das inklusive Jugendcamp. Es hat 2022 zum dritten Mal stattgefunden. Zweimal davor sind Kinder und Jugendliche aus Rostock zwischen 12 und 17 Jahren fünf Tage miteinander weggefahren und das war's. Die haben sich am Tag der Anreise kennengelernt, und am Tag der Abreise sind die Wege auseinandergegangen. Während des Aufenthaltes kam es gar nicht zu diesem Miteinander, das Inklusion ausmacht. Und wir haben immer gedacht: Diese Maßnahme klappt einfach nicht. Für die Planung des dritten Camps haben wir den Wirkungs-Check genutzt. Wir haben uns mit den verantwortlichen Trägern und dem Steuerungs-Gremium zusammengesetzt und die Maßnahme durchleuchtet. Und dann gab es einen Aha-Moment bei den Verantwortlichen. Sie haben plötzlich bemerkt: Es geht gar nicht um die fünf Tage, an denen die Kinder und Jugendlichen wegfahren. Sondern es geht um die 360 Tage, die dazwischen liegen. Schnell kam uns die Idee, das Camp zusammen mit den Jugendlichen zu planen. Wir haben einen Slogan entworfen: „Ferien sind das, was ihr draus macht“, und wir haben die Jugendlichen aufgerufen, sich vorher schon zu treffen und mitzubestimmen.
Wie ist das inklusive Jugendcamp nach dem Wirkungs-Check verlaufen?
Die Jugendlichen kannten sich schon, als sie zum Camp aufbrachen. Sie waren eine Gemeinschaft und haben zusammen entschieden, was sie in der Zeit machen. Sie hatten dann auch den Wunsch, sich nach dem Camp weiter zu treffen. Das haben wir ermöglicht. Der verantwortliche Träger stellt jetzt Räume zur Verfügung und pädagogisches Personal, die die Treffen begleiten. Wir beziehen die Jugendlichen kontinuierlich mit ein in die Planung des nächsten Camps. Und dann entsteht tatsächlich Inklusion, die nicht nur zeitlich begrenzt ist.