Dazu beitragen, dass Inklusion immer mitgedacht wird

Meike Moog-Steffens, Bürgermeisterin der Modellkommune Schneverdingen, und Rolf Weinreich, Vorstandsmitglied im Sportverein TV Jahn Schneverdingen, SPD-Fraktionsvorsitzender und Mitglied in der Kommune Inklusiv-Steuerungsgruppe, sprachen im Februar 2021 darüber, wie sie sich für die Ziele und die Verstetigung von Kommune Inklusiv einsetzen.


Warum ist Ihnen Kommune Inklusiv wichtig?

Meike Moog-Steffens: Ganz am Anfang meiner Amtszeit, so etwa 2012, kam mir ein Buch in die Hände: „Inklusion vor Ort: Der kommunale Index für Inklusion“. Nach dem Lesen war mir klar: Inklusion kann nur vor Ort gelingen, in der Kommune, wo Menschen einander begegnen und Kontakte stattfinden.

Für den Erfolg von Inklusion ist es entscheidend, in den Kommunen eine positive Haltung zu diesem Thema zu verankern. Mit dieser Idee habe ich mich seitdem beschäftigt. Wir haben in Schneverdingen ein reges ehrenamtliches Engagement, viele aktive Vereine. Dieses Engagement soll wachsen und zusammenwachsen, und es sollen alle Menschen in Schneverdingen teilhaben können.
Als dann Gerhard Suder, Geschäftsführer der Lebenshilfe, auf mich zukam und mich auf die Ausschreibung für Kommune Inklusiv aufmerksam machte, passte die Bewerbung sehr gut zu unserem Stadtentwicklungsprozess. Also haben wir uns gemeinsam mit der Lebenshilfe beworben. Bei Kommune Inklusiv Schneverdingen bin ich seitdem Bindeglied zwischen dem Kommune Inklusiv-Projektbüro, der Steuerungsgruppe, der Stadtverwaltung und dem Rat.

Rolf Weinreich: Ich setze mich in zwei Funktionen für Inklusion ein: als Ratspolitiker und als stellvertretender Vorsitzender des Sportvereins TV Jahn Schneverdingen. Wir sind der größte Sportverein in der Region und gehören zu den TOP 30 in Niedersachsen. Und wir hatten schon seit längerem den Plan, neue Bereiche aufzubauen und inklusiver zu werden. Nun können wir diesen Prozess leichter umsetzen, da Kommune Inklusiv uns aktiv begleitet und betreut. Früher hatten wir mal eine Abteilung für Menschen mit Behinderung – die hat sich aufgelöst, weil die Aktiven wegen ihres Alters aufgehört haben. Dann gab es immer mal wieder den ein oder anderen Sportler oder Sportlerin, der oder die mit Einschränkungen Sport machen konnte. Aber die Betreuung war nicht so optimal. Dank Kommune Inklusiv arbeiten wir nun gemeinsam daran, möglichst viele der 20 Abteilungen inklusiver zu gestalten. Und wir bilden auch unsere Trainerinnen und Trainer entsprechend aus.

Wie setzen Sie sich dafür ein, dass Kommune Inklusiv in Schneverdingen seine Ziele erreicht?

Meike Moog-Steffens: Ich trage das Thema in meine verschiedenen Ämter hinein. Mir ist wichtig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rathaus Inklusion immer mitdenken. Dass Gebäude und Straßen beispielsweise barrierefrei geplant werden. Aber auch, wenn es unter anderem um Angebote in unserem Jugendzentrum geht. Welche Angebote muss es beispielsweise geben, damit Kinder und Jugendliche aus schwierigeren sozialen Verhältnissen Kontakt zum Jugendzentrum suchen und an der dortigen Arbeit teilhaben können?

Inklusion spielt durch Kommune Inklusiv im Bauamt eine viel größere Rolle als noch vor wenigen Jahren. Wenn wir heute über den Neubau einer mehrgeschossigen Kindertagesstätte diskutieren, dann sprechen wir über Fahrstühle, die man bei der Planung gleich mit bedenken muss.
Außerdem arbeite ich eng mit anderen Gemeinden und deren Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen zusammen. Es werden Fragen an uns herangetragen, weil wir uns mit dem Thema Inklusion intensiver beschäftigen. Kolleginnen und Kollegen sprechen mich auf Kommune Inklusiv an. Auch wurde ich schon für Infoveranstaltungen des Niedersächsischen Sozialministeriums angefragt. So wird die Idee von Kommune Inklusiv über die Gemeindegrenzen hinausgetragen.

Rolf Weinreich: Im TV Jahn läuft es so, dass der Geschäftsführer Martin Skalski und ich Förderanträge bei der Aktion Mensch zu verschiedenen Projekten stellen. Wir haben dank Kommune Inklusiv nun eine inklusive Dart-Abteilung im TV Jahn. Ein Dart-Club war auf uns zugekommen und wollte als Abteilung in den Verein aufgenommen werden. Er wollte Kinder und Jugendliche stärker beteiligen, außerdem sind blinde Dart-Spieler im Club. Also haben wir bei der Aktion Mensch einen Förderantrag gestellt: für die Gründung einer inklusiven Dart-Sparte und für die Organisation eines großen Dart-Turniers für alle. Wir wollten unter anderem die deutsche oder sogar die Europameisterschaft nach Schneverdingen holen. Im August 2020 sollte das erste Turnier stattfinden, wegen der Pandemie wurde daraus nichts. Nun hoffen wir auf dieses Jahr. Mit Bastian van Frayenhove, dem Leiter der Handball-Abteilung, bin ich zurzeit in Kontakt, ob wir es schaffen, in Schneverdingen eine inklusive Handballmannschaft aufzubauen. Mit anderen Vereinen und den Schneverdinger Kindergärten wollen wir dieses Jahr ein inklusives Sportfest feiern.

Ein weiteres Projekt, das von der Aktion Mensch gefördert wurde, ist die Umgestaltung unserer Homepage. Das Design ist jetzt barrierefrei, Teile der Seite sind in Leichte Sprache übersetzt, und die Sprache ist insgesamt einfacher geworden.

Eine Collage der Porträtfotos von Meike Moog-Steffens und Rolf Weinreich.
Meike Moog-Steffens ist Bürgermeisterin der Modellkommune Schneverdingen. Sie war Mitglied in der Kommune Inklusiv-Steuerungsgruppe. Rolf Weinreich ist im Vorstand des Sportvereins TV Jahn Schneverdingen sowie SPD-Fraktionsvorsitzender und Sprecher der Mehrheitsgruppe SPD/Grüne im Stadtrat. Bei Kommune Inklusiv war er Sprecher in der Steuerungsgruppe und außerdem in der Arbeitsgruppe Freizeit aktiv. 
Mehrere Menschen sitzen im Ratssaal von Schneverdingen und unterhalten sich.
Treffen der Steuerungsgruppe Schneverdingen im Ratssaal

Und wie tragen Sie die Ziele von Kommune Inklusiv in die Politik?

Rolf Weinreich: Als Sprecher der Gruppe SPD/Grüne berichte ich darüber, was bei Kommune Inklusiv läuft. Einmal im Jahr berichtet außerdem die Projektkoordinatorin Ulrike Schloo im Sozialausschuss über die Aktivitäten von Kommune Inklusiv. Der Rat muss weiter sensibilisiert werden für die Themen von Kommune Inklusiv. So verursacht beispielsweise Barrierefreiheit zusätzliche Kosten. Wenn in politischen Gremien zum Beispiel die Diskussion aufkommt: „Ein Fahrstuhl in einer Kita oder Grundschule ist für Schneverdingen nicht normal, da können wir doch sparen!“, sage ich: „Nein, das können wir nicht!“. Es ist wichtig, dass wir uns jetzt mit dem Thema Inklusion beschäftigen. Mir kann es heute noch total gut gehen - und morgen breche ich mir den Oberschenkel und bin auf einen Rollator angewiesen. Wenn ich dann erst anfange, mich mit Inklusion zu beschäftigen, ist es zu spät. Wir haben jetzt Kommune Inklusiv hier, haben tolle Akteurinnen und Akteure, ein tolles Projektteam. Wir können jetzt Maßnahmen umsetzen, damit es in Zukunft allen Menschen in Schneverdingen gut geht.

Was unternehmen Sie, damit das Erreichte bleibt, wenn die Förderung durch Kommune Inklusiv ausläuft?

Meike Moog-Steffens: Wir haben immer gesagt: Wenn wir mit Kommune Inklusiv diesen Prozess der Inklusion anstoßen, muss das nachhaltig für Schneverdingen sein. Der Prozess muss bei den Menschen ankommen und weitergeführt werden. Was wir bereits merken: Inklusion wird immer mehr mitgedacht. Als Stadtverwaltung unterstützen wir unter anderem oft bei Veranstaltungen, die die Vereine organisieren. Auch da merken wir: Die Ziele von Kommune Inklusiv spielen eine zunehmende Rolle. Das Jahr 2020 hatten wir unter das Motto „Jahr der Inklusion“ gestellt. Viele Veranstaltungen sollten unter diesem Motto stattfinden – die Pandemie hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir waren aber sehr positiv überrascht, wie viele Vereine sich mit inklusiven Aktivitäten beteiligen wollten.

Um das weiter zu festigen, sind wir gerade dabei, Kommune Inklusiv mit unserem Stadtmarketing-Prozess zusammenzuführen. Der Stadtmarketing-Prozess steht seit 2016 unter dem Motto „Cittàslow“. Schneverdingen ist seitdem Mitglied im Netzwerk der Cittàslow-Städte und -Gemeinden. In dem Prozess geht es darum, höchstmögliche Lebensqualität in einer Kommune zu erreichen. Und darum geht es ja auch bei Kommune Inklusiv. Einige der Ziele, Handlungsfelder und Maßnahmen von Cittàslow sind identisch mit denen von Kommune Inklusiv – so ist Inklusion als Querschnittsthema in allen Handlungsfeldern des Cittàslow-Prozesses verankert. Viele Akteure vor Ort engagieren sich sowohl für Cittàslow als auch für Kommune Inklusiv. Deswegen müssen wir es schaffen, dass die beiden Prozesse mit ihren Akteurinnen und Akteuren zusammengeführt werden und nicht parallel an den Zielen und in den Handlungsfeldern gearbeitet wird.

Im Juni 2023 endet Kommune Inklusiv. Was wollen Sie bis dahin erreicht haben?

Rolf Weinreich: Mein Wunsch ist, dass es bis 2023 noch viel mehr inklusive Sportangebote gibt. Die Trainerinnen und Trainer sind dann so gut ausgebildet, dass sie nicht verunsichert sind, wenn Menschen mit Behinderung kommen. Sondern dass sie sie mit offenen Armen empfangen und sagen: Es geht sofort los, wir haben genau das richtige Angebot für dich!
Meike Moog-Steffens: Ich wünsche mir, dass wir dann vorurteilsfrei damit umgehen, wenn jemand anders ist als wir. Jeder Mensch hat andere Fähigkeiten, ich wünsche mir, dass das anerkannt wird. Wir müssen erkennen, dass Verschieden-Sein unser Zusammenleben bereichert.

 

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