Inklusion bringt technische Entwicklung in der Industrie voran
Wenn Dietmar Brauner beim Automobilhersteller Ford in Köln am Montage-Band steht, ist Robbie immer bei ihm. Den Namen Robbie hat Dietmar Brauner dem Roboter gegeben, mit dem er seit Sommer 2021 zusammenarbeitet. Robbie ist ein kollaborativer Roboter, ein Kobot. Er ist so gebaut, dass er mit Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder mit Behinderung Hand in Hand arbeiten kann. Er übernimmt Aufgaben, die für die Mitarbeiter*innen schwierig oder unmöglich wären.
Dietmar Brauner und Robbie bringen gemeinsam Magnetspulen und Abdeckungen in Motorblöcken an. Robbie bewegt sich nur, wenn Brauner ihn aktiviert. Der Kobot hat außerdem Sensoren, die erkennen, wenn Brauners Hände im Weg sein könnten.
Dietmar Brauner arbeitet seit mehr als 30 Jahren bei Ford. Wegen wiederkehrender gesundheitlicher Probleme kann der 58-Jährige Schulter und Handgelenk nicht mehr richtig bewegen. Weil Ford Fachkräfte wie Dietmar Brauner und weitere langjährige Kolleg*innen mit eingeschränkter Mobilität im Betrieb halten möchte, hat das Unternehmen ein Modellprojekt zu Kobots gestartet. Es wollte herausfinden, ob sich ein Roboter so in die Fertigung einbauen lässt, dass sich ein Mensch mit Behinderung und der Roboter einen Arbeitsplatz teilen können.
Von Kobots können alle Beschäftigten profitieren
Ford, die Rheinisch-Westfälisch-Technische Hochschule Aachen (RWTH) und der Landschaftsverband Rheinland (LVR) forschten etwa ein Jahr lang an dieser neuen Einsatzmöglichkeit. Roboter werden zwar schon seit vielen Jahrzehnten in der Automobilindustrie eingesetzt. Allerdings meistens hinter Schutzvorrichtungen oder als Fahrroboter, die Material transportieren. Roboter, die direkt mit den Menschen zusammenarbeiten, sind aber eine recht neue Entwicklung. Dank Fords Kobot Robbie können Dietmar Brauner und andere Kolleg*innen mit Behinderung weiter in ihrem Job arbeiten. Und mehr noch: Da der Kobot monotone und anstrengende Schritte übernimmt, können die Menschen ihre Erfahrungen für anspruchsvollere Aufgaben nutzen. Das gilt nicht nur für ältere Mitarbeiter*innen, Menschen mit Behinderung oder mit Mobilitätseinschränkung, sondern für alle Beschäftigten.
Das Beispiel Ford zeigt: Inklusion und der Anspruch, für alle Mitarbeiter*innen gute Bedingungen zu schaffen, führen zu technischem Fortschritt. Mathias Hüsing vom Institut für Getriebetechnik, Maschinendynamik und Robotik der RWTH Aachen hat das Modellprojekt wissenschaftlich begleitet. Er bestätigt: „Inklusives Denken bewirkt, dass wir mehr Anwendungen und Einsatzbereiche für kollaborierende Roboter finden. Und dass wir Sensoren und Roboterstrukturen anpassen und weiterentwickeln.“
So sei in der Industrie der Einsatz von Kobots denkbar, die direkt auf einem Rollstuhl montiert werden und mit diesem interagieren. Ziel sei außerdem, dass sich Prozesse mit dem Smartphone steuern ließen, etwa die Bedienung eines Rollbands.
Industrie 5.0: Mensch im Mittelpunkt
Entwicklungen wie diese sind Teil der sogenannten Industrie 5.0. Industrie 5.0 bedeutet: Es werden Aspekte in der Industrie wichtiger, die über wirtschaftliche Ziele hinausgehen. Zum Beispiel eine gesunde, menschlichere Arbeitswelt. Der Mensch mit seinen Bedürfnissen rückt wieder stärker in den Mittelpunkt. Maschinen, neue Technologien, Künstliche Intelligenz und die Möglichkeiten virtueller Welten sollen dazu beitragen, dass Menschen ihre vollen Fähigkeiten entwickeln und einsetzen. Das bringt Inklusion voran. Und gleichzeitig ist der Wunsch, möglichst alle Menschen einzubeziehen, ein Motor für die Industrie 5.0.