Drei Frauen lachen miteinander, eine ist etwas älter, zwei tragen ein Kopftuch
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Partizipation planen und umsetzen

Was Partizipation bedeutet

Alle Menschen machen mit, gestalten mit und bestimmen mit, wie die Gesellschaft sich entwickelt. Sie vertreten ihre Interessen und setzen ihre Fähigkeiten ein. Und zwar in allen Lebensbereichen: Politik, Wirtschaft, Gesundheit, Mobilität, Kultur, Bildung. Damit ist Partizipation eine Grundvoraussetzung für Inklusion. Oder anders formuliert: Inklusion heißt, Partizipation zu leben. Denn in einer inklusiven Gesellschaft sollen alle das Recht haben, selbst zu entscheiden, wie sie leben wollen.

Das hat sich vor Ort bewährt:

  • Versuchen Sie, sich klar zu werden, wo Ihre Kommunalverwaltung in punkto Partizipation steht: Garantiert sie echte Beteiligung?
  • Gestalten Sie Beteiligungsprozesse barrierefrei: Beseitigen Sie räumliche, Wahrnehmungs- und Verständnisbarrieren.
  • Unterstützen und empowern Sie Menschen, die es nicht gewohnt sind, sich öffentlich zu äußern.
  • Starten Sie mit kleineren und leicht umsetzbaren Partizipationsmethoden.
  • Haben Sie dabei das größere Ziel im Blick: echte Beteiligung. Die kooperative Projektplanung ist dafür eine bewährte Methode.
  • Planen Sie Zeit ein, um alle Menschen zu erreichen und mitzunehmen: Partizipation ist ein Prozess.
  • Holen Sie sich für mehr Partizipation in Ihrer Kommune selbst Unterstützung, beispielsweise durch eine Prozessbegleitung.
  • Bilden Sie sich weiter: Die Aktion Mensch unterstützt Sie dabei.

Die Partizipationstreppe

Kommunen und Institutionen können Bürger*innen auf vielfältige Art und Weise und in unterschiedlichen Mitbestimmungsstufen beteiligen: von Instrumentalisierung und Scheinbeteiligung über Einbeziehung und Mitwirkung bis hin zu Entscheidungsmacht.

Um diese Stufen darzustellen, haben Politik- und Sozialwissenschaftler*innen in den vergangenen Jahrzehnten verschiedene Modelle der Partizipation entwickelt. Damit können Sie überprüfen, wie stark Entscheidungsträger*innen andere Menschen in Prozesse und Projekte einbeziehen.

Partizipation und Teilhabe: Was ist der Unterschied?

Teilhabe meint, dass alle Menschen grundsätzlich das Recht haben, sich am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen – egal, ob sie es in Anspruch nehmen oder nicht.

Partizipation geht noch weiter, sie ist sozusagen die höchste Form der Teilhabe. Es geht um konkrete aktive Mitwirkung, Mitgestaltung und Entscheidungsmacht. Wörtlich übersetzt bedeutet der lateinische Begriff: sich einen Teil ergreifen.

Partizipation umfasst auch Teilgabe. Teilgabe ist die Aufforderung an alle Menschen, sich mit dem, was sie wissen und was sie können, einzubringen in gesellschaftliche und politische Prozesse, bei Aktionen, in Netzwerken, Vereinen, Interessensgruppen.

Partizipation ermöglichen

Barrierefreiheit garantieren

Barrierefreiheit macht es überhaupt erst möglich, dass alle Menschen dabei sein können und verstehen, um welche Entscheidungen es geht. Erst dann können sich alle Interessengruppen aktiv einbringen. An folgende Barrieren sollten Sie denken:

  • räumliche Hürden wie fehlende Aufzüge oder zu schmale Türen,
  • Wahrnehmungsbarrieren im Bereich Hören und Sehen: So brauchen Menschen mit Hörbehinderung auf Veranstaltungen Gebärdensprachdolmetscher*innen, Schriftdolmetscher*innen oder Plätze mit Induktionsschleife.
  • Verständnisbarrieren: Verzichten Sie auf Fachsprache und Fremdwörter und nutzen Sie Einfache oder Leichte Sprache. Das nützt Menschen mit Lernschwierigkeiten ebenso wie Menschen, die nur wenig Deutsch sprechen.

Sehen Sie den Ausbau der Barrierefreiheit als Langzeitprojekt!

Arbeiten Sie am besten nach und nach an den verschiedenen Aspekten der Barrierefreiheit. Fragen Sie Menschen aus Ihren Zielgruppen, wo es ihrer Meinung nach Barrieren gibt und wie Sie sie gemeinsam abbauen können.

Sie können das Thema Barrierefreiheit auch dazu nutzen, um möglichst viele Menschen in Ihrer Kommune zum Mitmachen zu motivieren. Denn von weniger Barrieren in der Stadt oder im Stadtviertel profitieren alle.

Sie wollen Barrierefreiheit in Ihrer Kommune voranbringen und suchen nach griffigen Argumenten? Dann lesen Sie mehr darüber in den Guten Gründen für Inklusion.

Aktion Mensch-Informationen zur Barrierefreiheit

Die Aktion Mensch stellt viele weitere Informationen zur Barrierefreiheit bereit, fördert Projekte und Maßnahmen zur Barrierefreiheit und bietet Fortbildungen an:

Menschen stark machen für Partizipation

In einem inklusiven Netzwerk sollen sich auch die Menschen aktiv einbringen können, die es nicht gewohnt sind, öffentlich für ihre Interessen einzutreten. Beispielsweise Menschen mit Lernschwierigkeiten oder mit einer seelischen Behinderung. Manche Menschen brauchen ausdrücklich Ermutigung und Unterstützung, sich in politische oder gesellschaftliche Prozesse einzubringen. In der Fachsprache heißt das Empowerment, was übersetzt Starkmachen und Selbstbefähigung bedeutet.

Eine Gruppe von Menschen mit und ohne Behinderung an einem Brunnen in Schneverdingen
Vier Personen sitzen an einem Tisch und schauen konzentriert

Positive Haltung zu echter Beteiligung entwickeln

Um Partizipation zu ermöglichen, ist es außerdem wichtig, dass Profis empowert werden und eine positive Haltung zu echter Beteiligung entwickeln. Grundvoraussetzung für Partizipation ist die Bereitschaft, mit Menschen aus den Zielgruppen auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. Bei diesen Prozessen kann es darum gehen, Macht abzugeben, und das kann herausfordernd sein. Empowerment bereitet Entscheider*innen und Fachleute auf diese Herausforderung vor.

Die passenden Methoden finden

Neben einer positiven Haltung zu Partizipation braucht es das richtige Handwerkszeug. Es gibt viele Methoden der Bürgerbeteiligung: Einige lassen sich einfach und schnell umsetzen, für andere brauchen Sie mehr Ressourcen. Bilden Sie sich darin weiter: Die Aktion Mensch bietet Seminare dazu an, wie echte Partizipation gelingt.

Wie Sie Menschen aus der Zielgruppe für Ihr Projekt gewinnen können

Die erste Ansprache von Menschen aus der Zielgruppe kann schwierig sein. Sie für die Mitarbeit im Netzwerk, in der Steuerungsgruppe oder Arbeitsgruppen zu gewinnen ebenfalls. Alle Modellkommunen mussten sich zu Beginn von Kommune Inklusiv diesen Zugang erarbeiten.

Diese Vorgehensweisen haben sich bei Kommune Inklusiv bewährt:

  • Informieren Sie sich genau über die Zielgruppe, auch wenn Sie glauben, schon alles zu wissen. Versuchen Sie, mehr über Lebenswelt, Wünsche, Barrieren und Probleme der Zielgruppe und ihre Auswirkungen herauszufinden.
  • Nutzen Sie persönliche Kontakte oder versuchen Sie Kontakt zu bekommen über Selbstvertretungen, Vereine oder Institutionen, die bereits mit der Zielgruppe arbeiten.
  • Achten Sie auf eine Arbeitsweise, die für alle nachvollziehbar und verständlich ist, und auf Barrierefreiheit.
  • Bringen Sie Geduld mit. Bevor Menschen aus der Zielgruppe in Ihrem inklusiven Projekt mitarbeiten, müssen sie Vertrauen aufbauen, das Projekt kennen und verstehen, Ziele mittragen – all das geht oft nicht von heute auf morgen.

Im „Infoblatt: Zielgruppen für die Mitarbeit gewinnen “ bekommen Sie Hinweise, wie Sie Kontakt zu Zielgruppenvertreter*innen aufbauen und sie für die Mitarbeit gewinnen können.

Bei der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG) können Sie Faltblätter mit Tipps für gute Projektplanung unter anderem zu den Themen „Niedrigschwellige Arbeitsweise “ und „Zielgruppenbezug “ kostenfrei herunterladen.

Argumente für Partizipation

Entscheidungen stehen auf breiterem Fundament

Kommunalverwaltung und -politik, Organisationen und Institutionen profitieren vom Wissen und den Fähigkeiten vieler verschiedener Bürger*innen, wenn sie sie an Entscheidungen und Projekten beteiligen. Menschen mit Behinderung, Menschen mit Migrationshintergrund, Senior*innen oder Jugendliche – sie alle wissen selbst am besten, was sie brauchen, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Sie sind Expert*innen in eigener Sache. Nur mit ihrer Expertise finden Verwaltungen, Organisationen, Institutionen die passende und für alle beste Lösung. Je mehr unterschiedliche Menschen sich in Planungen einbringen, desto kreativere Lösungen können entstehen. Planung und Umsetzung dauern dadurch vielleicht etwas länger. Doch am Ende wird ein Projekt erfolgreicher sein. Das zeigen unter anderem die Erfahrungen mit der Methode der kooperativen Planung.

Zwei Frauen zeigen auf Stichworte auf einem Flippchart, mehrere Menschen schauen zu

Partizipation ist gelebte Demokratie

Werden alle Interessengruppen beteiligt und können sie aktiv an Lösungen arbeiten, entsteht mehr Verständnis für getroffene Entscheidungen. Wenn sie merken, dass sie in ihrer Kommune etwas bewegen können, dass ihre Meinung zählt und ihre Wünsche berücksichtigt werden, wachsen Vertrauen und Zufriedenheit. Die Menschen können sich stärker mit der Kommune, deren Zielen und Projekten identifizieren. Das Gemeinschaftsgefühl wächst. Das macht die Kommune fit für die Zukunft.

Wo steht Ihre Kommune beim Thema Partizipation? Die "Prüfliste: Ist Ihre Kommune auf dem Weg zur echten Bürgerbeteiligung? (PDF) “ hilft dabei, das herauszufinden.

Partizipation kann Haltung der Menschen zu Inklusion verbessern

Wer aktiv mitentscheidet und mitgestaltet, erlebt direkt, was Inklusion bedeutet: Nämlich, dass alle Menschen gehört werden und über ihr Leben und ihr Lebensumfeld bestimmen. Partizipation kann somit die Meinung und Haltung der Menschen zu Inklusion verbessern.

Der Weg ist weit – fangen Sie einfach an

Der Weg zu einer echten Bürgerbeteiligung verlangt allen Verantwortlichen Geduld ab: Sie müssen Zeit, Geld und Personal investieren. Neben den geeigneten Methoden braucht es Mut zur Veränderung von Routine. Partizipation ist ein Prozess. Sie können diesen Prozess mit kleinen Schritten beginnen. Fangen Sie im Quartier an: Beteiligen Sie die Einwohner*innen als Expert*innen für ihr Viertel, beispielsweise bei Stadtteilspaziergängen oder Stadtteilfesten.

Fragensammlung Mitbestimmen!

Im Projekt „Hier bestimme ich mit – Ein Index für Partizipation“ haben der Bundesverband evangelischer Behindertenarbeit e.V. und das IMEW (Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft) eine Fragensammlung zu Partizipation entwickelt. Menschen mit Lernschwierigkeiten, mit hohem Unterstützungsbedarf und mit psychischer Beeinträchtigung haben daran mitgearbeitet. Die Fragensammlung hilft dabei, Beteiligungsmöglichkeiten zu reflektieren und Partizipation voranzubringen.

Erfahrungen aus Erlangen

Echte Beteiligung heißt: Menschen aus den Zielgruppen entscheiden von Anfang an mit. Dafür müssen die Projektverantwortlichen sie erreichen. Die Menschen müssen erfahren, dass ein Vorhaben nur mit ihrer Beteiligung Erfolg hat. Das ist manchmal nicht so einfach.

Kommune Inklusiv Erlangen wollte verstehen, warum Menschen einsam sind, und Angebote gegen Einsamkeit entwickeln. „Wer sich einsam fühlt, zieht sich oft noch weiter zurück – manche entwickeln Ängste, zum Beispiel vor anderen Menschen. Sie verlassen das Haus gar nicht mehr“, sagt die damalige Netzwerkkoordinatorin Felicitas Keefer. „Gerade alte Menschen sind oft nicht mehr so mobil und kommen unter anderem deshalb nicht mehr aus dem Haus. Um diese Menschen zu erreichen, braucht es viele persönliche Gespräche, Zeit, Geduld und die Fähigkeit zuzuhören.“ Und ein gutes Netzwerk: Der Kooperationspartner Dreycedern e.V. hatte über viele Jahre sehr guten Kontakt zu älteren Menschen und ihren Angehörigen aufgebaut. Dreycedern berät und unterstützt dabei, lange ein gesundes Leben zu führen. Über den Verein bekam Keefer erste Kontakte zu Menschen, die sich einsam fühlten. In persönlichen Gesprächen erfuhr die Koordinatorin viel über die Gründe für ihre Einsamkeit. Keefer sprach mit etwa 20 Menschen: Student*innen, Künstler*innen, Rentner*innen. Dabei sei es sehr wichtig, behutsam vorzugehen. „Mit manchen Menschen habe ich immer wieder gesprochen, bevor sie sich wirklich öffneten und von ihren Erfahrungen und Wünschen erzählten. Ausführliche Gespräche, echtes Interesse, aufmerksames Zuhören – ohne das geht es nicht“, betont Keefer.

Gute Zusammenarbeit im Netzwerk ist wichtig für Partizipation

Einige der Menschen engagierten sich anschließend in der Kommune Inklusiv Arbeitsgruppe Einsamkeit. Dort arbeiteten sie zusammen mit Akteur*innen aus Vereinen und Projekten, die sich professionell mit dem Thema Einsamkeit beschäftigen. Und mit Politiker*innen und Mitarbeiter*innen der Verwaltung, die Entscheidungen in die Kommune einbringen und umsetzen können.

Film-Tipp: Zusammen mit dem Erlanger Bündnis gegen Depression drehte Felicitas Keefer ein Video: Eine Studentin, ein Musiker und eine Rentnerin berichten von ihren persönlichen Erfahrungen mit Einsamkeit.

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Ein älterer Mann mit einem Stock auf einem Platz lacht

Methoden der Partizipation

Es gibt viele Wege, Bürger*innen an gesellschaftlichen Entwicklungen und politischen Entscheidungen zu beteiligen. Wir stellen verschiedene Methoden vor, mit denen Sie unterschiedliche Menschen erreichen: Ältere und Jüngere, Menschen mit Migrationserfahrung, Menschen mit unterschiedlichem Bildungsstand, Menschen mit und ohne Behinderung.

Alle Methoden ansehen

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