„Kooperative Planung gleicht Machtverhältnisse aus.“

Partizipations-Expertin und Prozessbegleiterin Zsuzsanna Majzik beschreibt, warum der Prozess der kooperativen Planung für inklusive Vorhaben sehr wertvoll ist und was die Herausforderungen sind. 

Sind Projekte erfolgreicher, wenn sie kooperativ geplant werden?

Eindeutig ja! Sie sind erfolgreicher, weil die Zielgruppe sie akzeptiert. Kooperativ geplante Projekte doktern nicht an Symptomen herum, die Fachleute wahrnehmen. Ziel ist es, die Ursachen von Problemlagen zu finden und dafür Lösungen zu finden. Die Menschen, um die es geht, diskutieren als Lebenswelt-Expertinnen und -Experten mit. Durch ihre aktive Teilnahme können sie auf mögliche Denkfehler und auf Vorurteile gegenüber der Zielgruppe hinweisen. Außerdem dienen sie als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in ihre Communities und können dadurch andere Menschen aus der Zielgruppe motivieren. Bei nicht kooperativ geplanten Projekten stellen die professionellen Akteure oft die Frage: „Wie erreiche ich mit meinen Maßnahmen die Zielgruppe?“ Wenn diese Frage kommt, ist eigentlich schon etwas falsch gelaufen.

Was meinen Sie damit?

Es gibt nicht „mein“ Projekt. Ein Projekt muss mit allen Menschen, die es betrifft, gemeinsam entwickelt werden. Wer ein Projekt für eine Zielgruppe plant, muss die Menschen da abholen, wo sie stehen - nicht dort, wo er oder sie die Menschen gern hätte. Projektplanerinnen und -planer sollten aufhören, aus einer Fürsorgehaltung heraus zu meinen, sie wüssten, was gut für die Zielgruppen ist. Bei der kooperativen Planung erarbeiten Fachleute, Entscheiderinnen und Entscheider sowie Lebenswelt-Expertinnen und -Experten gemeinsam, was die Zielgruppen wirklich brauchen, damit ihre Lebenssituation sich verbessert. Und: Die Menschen aus den Zielgruppen wirken auch an der Umsetzung des Projekts mit, sie werden zu aktiven Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeitern. Das steigert Motivation und Akzeptanz zusätzlich.

Was ist nach Ihrer Erfahrung die größte Herausforderung bei der kooperativen Projektplanung?

Professionelle Akteure und Entscheidungsträgerinnen und -träger zu motivieren, sich auf den Prozess einzulassen. In solch einem gleichberechtigten Prozess müssen sie Macht und Deutungshoheit abgeben. Damit tun sich viele schwer. Kooperative Projektplanung nimmt viel Zeit in Anspruch. Und sie ist mit Kritik an aktuellen Angeboten und Strukturen verbunden. Damit können nicht alle Profis gut umgehen.

Dabei bedeutet kooperative Planung keinesfalls, dass die Lebenswelt-Expertinnen und -Experten sagen, was zu tun ist - und dann wird es so umgesetzt. Kooperative Planung bedeutet vielmehr: Menschen aus den Zielgruppen tauschen auf Augenhöhe Argumente mit denjenigen aus, die die Strukturen und Angebote verantworten. Es geht eben gerade nicht darum, den verantwortlichen professionellen Akteuren die gesammelten Kritikpunkte hinzuwerfen. Bei der kooperativen Planung entsteht nach mehreren Diskussionsschleifen gegenseitiges Verständnis. Das Ergebnis: Die, die kritisiert haben, nehmen ihre Kritik etwas zurück und sehen ein, dass einiges gar nicht so schlimm ist. Die anderen verstehen: An der Kritik ist was dran, wir müssen etwas ändern.

Ein Portraitfoto von Zsuzsanna Majzik.
Als Prozessbegleiterin unterstützte Zsuzsanna Majzik die Kommune Inklusiv-Modellkommunen. 
Ein Rollstuhlfahrer sitzt zusammen mit anderen in einem Halbkreis

Wie lassen sich die professionellen Akteure von der kooperativen Planung überzeugen?

Die Profis müssen umdenken. Von: „Wir überlegen uns Angebote und Maßnahmen für unsere Zielgruppe“ hin zu: „Wir erarbeiten in einem Prozess mit der Zielgruppe, was sie wirklich braucht.“ Bei dieser Prozess-Orientierung lassen die Fachleute offen, welche Maßnahmen am Ende herauskommen sollen. Die Ergebnisse dieser zwei Herangehensweisen sind oft ähnlich. Der Unterschied liegt in der echten Partizipation. Und darin, was diese echte Partizipation mit den Menschen macht. Partizipation darf nicht als ein „Bestätigen-Lassen“ der eigenen Idee genutzt werden.

Das ist eine Haltungsänderung, die lässt sich nicht erzwingen. Wer eine solche Haltungsänderung vorantreiben will, kann nur versuchen, die Akteure vor Ort bei Prozessen wie der kooperativen Planung so gut zu unterstützen, zu beraten und zu begleiten, wie es geht. Dazu braucht es Prozessbegleitung.

In meiner Idealwelt denken auch die Förderer nach und nach um. Es muss möglich werden, Fördergelder für Prozesse wie die kooperative Planung zu bekommen. Das würde einer Projektleitung die finanzielle Freiheit geben, solche Prozesse mit ausreichend Ressourcen umzusetzen. Dies ist nicht machbar, wenn konkrete Maßnahmen bereits im Förderantrag angegeben werden müssen.

Sie hatten zunächst Gesundheitsprojekte kooperativ geplant. Dann haben Sie die Methode in Kommune Inklusiv-Städten und -Gemeinden umgesetzt. Inwieweit funktioniert diese Art der Planung für Inklusionsprojekte?

Kooperative Planung gleicht Machtverhältnisse aus. Deshalb funktioniert sie überall dort, wo unterschiedliche Machtverhältnisse im Spiel sind. Als Lebenswelt-Expertinnen und -Experten kommen oft Menschen in Frage, die in einer herausfordernden Lebenssituation stecken. Das können Menschen mit Gesundheitsproblemen sein, Menschen mit Behinderung, Menschen, die Diskriminierung erfahren oder die in Armut leben.

Wenn diese Menschen sich trotz intensiver Bemühungen nicht zum Mitmachen motivieren lassen, können auch Personen eingeladen werden, die die Situation erlebt und hinter sich gelassen haben. Wichtig ist, sich bei den Gesprächen mit ihnen ein so genaues Bild von der Lebenssituation zu machen, wie es nur irgend geht.

Ansonsten gilt, egal in welchem gesellschaftlichen Bereich: Der Prozess an sich macht so viel mit den Menschen - allein das ist unglaublich wertvoll. Profis und Lebenswelt-Expertinnen und -Experten denken danach anders, sie begegnen einander anders. Bei sozialen Projekten, ob in der Gesundheitsförderung oder im Bereich Inklusion, geht es meistens um Menschen, die es nicht gewohnt sind, auf Augenhöhe behandelt zu werden. Weil ihnen angeblich Kompetenzen fehlen, weil sie kein Geld haben, weil sie eine Sprache nicht sprechen, weil sie eine Behinderung haben. Bei der kooperativen Planung machen sie die Erfahrung: „Hier interessiert sich jemand wirklich für das, was wir wollen.“ Fachleute, Entscheiderinnen und Entscheider hören ihnen zu und gehen auf sie ein. Psychologisch bewirkt es enorm viel in Menschen, wenn sie ernst genommen werden. Der Effekt lässt sich gar nicht hoch genug schätzen.