Blind studieren: „Deine Grenzen setzt du dir selbst“
Möchte man Carina begrüßen, kann es schon einmal passieren, dass ihr eine nasse Nase zuvorkommt: Diese Nase gehört Pitou, einem blonden Labrador-Rüden, der die 22-Jährige überallhin begleitet. Carina lacht: „Ja, Pitou findet es immer besonders spannend, neue Leute kennenzulernen. Wenn er mich führt, sind Streicheleinheiten aber verboten. Daran halten sich die Menschen nur nicht immer“, erklärt sie. Seit August 2018 ist Pitou Carinas Blindenführhund. Ihr ständiger Begleiter, auf den sie sich immer verlassen kann. „Für mich hat sich so viel verändert, seit ich ihn habe“, erzählt sie, während sie ihn liebevoll krault.
Bei einem vollen Leben wie Carinas kann man sich das gut vorstellen. Die Neusserin studiert Online-Redaktion an der Technischen Hochschule Köln, ist Mentorin für andere Student*innen mit Behinderung, hat einen Blog über das Leben mit Behinderung gegründet und engagiert sich nebenbei auch noch in einer inklusive Radioredaktion. Wie sie das alles schafft? „Ich finde es einfach mega wichtig, anderen Menschen zu zeigen: Meine Behinderung behindert mich nicht, mein Leben zu leben“, sagt sie.
Mit einem Blog Klischees und Barrieren abbauen
Nicht ohne Grund also ist das Motto ihres Blogs „Lass dich von deiner Behinderung nicht behindern – Deine Grenzen setzt du dir selbst“. Gemeinsam mit mittlerweile über 30 Bloggerinnen und Bloggern mit und ohne Behinderung schreibt sie auf www.andersunddochgleich.de über ihr Leben, Inklusion und Barrierefreiheit. Ihnen ist dabei wichtig, Klischees abzubauen und die vielen Möglichkeiten eines Lebens mit Behinderung aufzuzeigen. „Ich zum Beispiel bin blind und möchte Journalistin werden, das passt für viele immer noch nicht zusammen. Doch ich entscheide selbst, wo meine Grenzen sind – nicht meine Umwelt“.
Mittlerweile studiert Carina bereits im sechsten Semester. Immer dabei: Eine Assistenz, die sie im Studienalltag unterstützt und natürlich ihr Hund Pitou. Er kennt den Weg in die Hochschule auswendig und weiß, wo im Straßenverkehr Hindernisse lauern. „Ein toller Vorteil eines Blindenführhundes ist außerdem: Er hilft auch, soziale Barrieren abzubauen. Ich komme seitdem viel häufiger ins Gespräch mit fremden Menschen. Witzig, oder?“, grinst sie.
Auch ihre Mitstudierenden hatten anfangs Berührungsängste im Umgang mit Carina. „Ich glaube, die meisten wussten anfangs nicht wirklich etwas mit mir anzufangen. Irgendwann haben sie aber gemerkt, dass ich voll normal bin“, sie lacht. „Mittlerweile verstehen wir uns echt gut und die Atmosphäre ist locker. So erlebe ich das aber häufig.“
Vorbild für andere Student*innen mit Behinderung
Als Mentorin unterstützt sie Erstsemester-Student*innen mit Behinderung dabei, den Studienalltag mit all seinen Tücken zu meistern. Neben dem Erstellen eines Wochenplaners und dem Zurechtfinden auf dem Campus unterstützt sie aber auch mit ihrer Vorbildfunktion und ihrem Wissen: „Am Anfang passiert es ja auch schon mal, dass einem alles zu viel wird und Zweifel aufkommen. Dann sage ich ihnen: ‚Du bist nicht alleine, wir schaffen das schon!‘“
„Ich möchte Barrieren in den Köpfen anderer Menschen abbauen und ich finde, das funktioniert am besten, wenn Menschen mit Behinderung selbst aktiv werden und ihrer Umwelt zeigen: ‚Hey, so läuft das!‘“, erläutert Carina. „Gleichzeitig möchte ich andere Menschen mit Behinderung dazu ermutigen, ebenfalls raus zu gehen und ihr Leben in die Hand zu nehmen.“