UN-Behinderten rechtskonvention
Was ist die UN-Behindertenrechtskonvention und was soll sie bewirken?
Eine UN-Konvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, zu dessen Einhaltung sich die unterzeichnenden Staaten verpflichten. Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) wurde am 13. Dezember 2006 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen unter deutscher Beteiligung verabschiedet. Im Februar 2009 haben sie der Deutsche Bundestag und der Deutsche Bundesrat ratifiziert, sprich für Deutschland in Kraft gesetzt. Damit ist sie seit dem 26. März 2009 hierzulande geltendes Recht.
Die UN-BRK ist eine Konkretisierung der allgemeinen Menschenrechte bezogen auf die Situation von Menschen mit Behinderung. Sie wurde erarbeitet und verabschiedet auf Grund der Erfahrung, dass diese Bevölkerungsgruppe weltweit bislang nicht ausreichend vor Diskriminierung und Ausgrenzung geschützt ist. Die UN-BRK definiert, was die Unterzeichnerstaaten gewährleisten müssen, damit ihre Bürgerinnen und Bürger mit Behinderung in den vollen Genuss ihrer Menschenrechte kommen. Eine der zentralen Forderungen ist dabei die Umsetzung von Inklusion in allen Lebensbereichen. Somit ist durch die Konvention verbrieft, dass Inklusion ein Menschenrecht ist.
Besondere Bedeutung hat der Behinderungsbegriff, der der UN-BRK zugrunde liegt: Er zielt nicht auf die Beeinträchtigung der einzelnen Person, sondern sieht die Ursache von Behinderungen in den Barrieren, die die Lebenswelt einer Person begrenzen. Barrieren können niedergerissen oder überwunden werden, und damit ist Behinderung etwas Veränderliches.
Weitere Informationen zur Bedeutung und Zielsetzung der UN-BRK findest Du auf der Seite des Deutschen Instituts für Menschenrechte, dessen Aufgabe es ist, mit einer eigens dafür eingerichteten Monitoringstelle die Umsetzung der Konvention in Deutschland zu begleiten und zu beobachten.
Die UN-BRK in Zahlen
2006
von der UN-Vollversammlung verabschiedet.
186
der 193 Mitgliedsstaaten den UN haben bislang unterzeichnet
(Stand 2023).
Seit 2009
in Deutschland in Kraft.
Zentrale Forderungen der UN-BRK
Der zentrale Leitgedanke der UN-Behindertenrechtskonvention ist Inklusion, also die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Inklusion ist somit ein Menschenrecht.
Barrierefreiheit
beispielsweise
- im öffentlichen Raum, in Gebäuden und bei Veranstaltungen
- im öffentlichen Verkehr
- von Inhalten auf Webseiten
- und in der sprachlichen Kommunikation (so dass Beiträge, Nachrichten, Informationen und Hinweise auch für alle verständlich sind)
Autonomie und Selbstbestimmung
Menschen mit Behinderungen haben das Recht, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und ihr Leben nach ihren Wünschen zu gestalten.
Das beinhaltet auch die freie Wahl von Wohnform und -ort und das Recht auf Unterstützungsangebote wie Assistenzen für ein selbstbestimmtes Leben.
Abbau von Sonderstrukturen
Getrennte Sondereinrichtungen für Menschen mit Behinderung, wie beispielsweise Förderschulen oder Werkstätten, müssen schrittweise aufgelöst werden. Menschen mit Behinderung haben explizit das Recht
- Bildungseinrichtungen für Menschen mit und ohne Behinderung besuchen zu können
- auf Arbeit in einem offenen, zugänglichen und inklusiven ersten Arbeitsmarkt.
Partizipation
Menschen mit Behinderungen haben das Recht, an allen Entscheidungsprozessen, die sie betreffen, aktiv beteiligt zu werden und ihre Meinung frei zu äußern.
Frag dich selbst:
Was hat sich durch die Konvention bislang in Deutschland getan?
Nach anfänglicher Aufbruchsstimmung in den ersten Jahren nach Inkrafttreten der UN-BRK in Deutschland, sind viele Bemühungen auf halbem Weg stecken geblieben, so die Bewertung des Deutschen Institut für Menschenrechte. Diese Entwicklung zeichnete sich bereits bei der ersten Überprüfung Deutschlands durch den zuständigen UN-Ausschuss im Jahr 2015 ab. Schon damals erntete Deutschland viel Kritik besonders für die geringen Fortschritte beim Rückbau des Förderschulsystems und der Werkstätten, aber auch bei der Förderung von mehr Selbstbestimmung und Beteiligung von Menschen mit Behinderung an Entscheidungen.
Fortschritte
Bereits 2011 hatte die damalige Bundesregierung einen Nationalen Aktionsplan mit rund 200 Vorhaben, Projekten und Aktionen zur Umsetzung von Inklusion in Deutschland vorgestellt. Auch die einzelnen Bundesländer haben mittlerweile solche Aktionspläne für sich festgelegt. Einige neue Gesetze oder Gesetzesänderungen sind beschlossen worden. Beispielhaft seien hier erwähnt das Bundesteilhabegesetz oder auch die Novellierung des Personenbeförderungsgesetzt, das vorschreibt, dass der Öffentliche Nahverkehr barrierefrei sein muss (eigentlich bis 2022). Früher durften Menschen, die unter Betreuung standen, in Deutschland nicht an Wahlen teilnehmen. Dieser Wahlrechtsausschluss wurde 2019 aufgehoben. Außerdem trat Anfang 2023 eine Reform des Betreuungsrechts in Kraft, die die Selbstbestimmung von betreuten Menschen deutlich stärkt. Nicht zuletzt ist Barrierefreiheit in öffentlichen Einrichtungen weitgehend verpflichtend.
Stagnation
Trotz vieler Diskussion und Bemühungen sind konkrete Fortschritte sehr gering insbesondere im Bildungsbereich und auf dem ersten Arbeitsmarkt. Im Gegenteil scheint der Trend bei der schulischen Inklusion in vielen Bundesländern sogar wieder gegenläufig den Erhalt von separaten Förderschulen zu begünstigen. Auf dem Arbeitsmarkt ist es trotz Digitalisierung und Fachkräftemangel für Menschen mit einer schweren Behinderung nach wie vor schwierig, einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz zu ergattern. Die Arbeitsmarktlage erholt sich zwar langsam auch für Menschen mit Behinderung von den Corona-Folgen, aber die Zahl der langzeitarbeitslosen Menschen mit Behinderung ist in letzter Zeit sogar gestiegen. Gleichzeitig ist die Zahl derjenigen, die in Werkstätten beschäftigt sind, seit Verabschiedung der UN-BRK nur geringfügig gesunken.
Barrierefreiheit als Voraussetzung für Inklusion ist im Privatsektor nach wie vor eher die Ausnahme als die Regel, sei es beim Wohnungsbau, Internetseiten, im Einzelhandel, im Freizeitbereich und selbst im Gesundheitswesen. Selbst im Bereich Mobilität ist mangelnde Barrierefreiheit nach wie vor ein Problem - trotz der gesetzlichen Vorgabe, etwa für den öffentlichen Nahverkehr.
UN prüft Fortschritte Deutschlands. Ergebnis ernüchternd
Im Herbst 2023 veröffentlichte der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen das Ergebnis seiner neuerlichen Staatenprüfung Deutschlands. Wie von Expert*innen erwartet hagelte es diesmal noch deutlichere Kritik, weil sich seit der ersten Prüfung in den schon damals bemängelten Bereichen des täglichen Lebens wenig verändert habe. Selbst im Vergleich mit anderen OECD-Staaten, fällt die Bewertung von Deutschlands Fortschritten ernüchternd aus, wie eine von der Aktion Mensch in Auftrag gegebene Studie ergab. Nun erhoffen sich die Inklusions-Befürworter*innen durch eine deutliche Rückmeldung der UN an Deutschland neuen Schwung für die Umsetzung der selbst gesteckten Ziele.
Die UN-BRK mit Leben füllen
Die Behindertenrechtskonvention wurde gemeinsam mit Menschen mit Behinderung konzipiert. Auch bei ihrer Umsetzung ist es für den Erfolg entscheidend, dass diejenigen, um deren Rechte es geht, daran beteiligt sind - getreu der alten Forderung der Behindertenbewegung: "Nichts über uns ohne uns."
Nur wenn alle mitmachen, kann sich unsere Gesellschaft ändern und die Benachteiligung von Menschen mit Behinderung aufhören. Die Aktion Mensch wirbt in ihrer Öffentlichkeitsarbeit für Inklusion und fördert gleichzeitig Projekte, die Inklusion in die Praxis umsetzen, mit bis zu 350.000 Euro. Auf diese Weise unterstützt die Aktion Mensch deutschlandweit monatlich zahlreiche Initiativen, die Inklusion in den Bereichen Arbeit, Freizeit, Bildung, Wohnen und Mobilität voranbringen. Möglich wird das durch das Engagement all derjenigen, die ein Los der Aktion Mensch kaufen.
Für die größte Minderheit der Welt
In Deutschland leben rund 10,4 Millionen Menschen mit Behinderung. 7,6 Millionen von ihnen sind schwerbehindert, haben also einen Grad der Behinderung von 50 oder mehr. Das entspricht 9,4 % der deutschen Gesamtbevölkerung. Hierzulande tritt eine Behinderung fast immer erst im Lauf des Lebens ein.
Nur in 4 % der Fälle ist die Beeinträchtigung angeboren.
(Quellen: WHO, destatis 2021)