Laut sein für inklusive Liebe
Max und Cristina sind knapp zwei Monate zusammen, als Max morgens vorm Spiegel vorschlägt: „Sag mal, wollen wir nicht einfach zusammen einen Instagram-Kanal starten? Und gucken, wo es hinführt?“.
Zu diesem Zeitpunkt haben sie schon Erfahrungen damit gemacht, wie manche auf ihre Beziehung reagieren. Denn Max hat Glasknochen (Osteogenis imperfecta) und Cristina keine Behinderung. „Ist das deine Assistenz?“, „Deine Schwester?“ oder „Toll, dass du eine Freundin hast. Sogar eine hübsche“ sind Sprüche, die sie häufiger hören. Einerseits verbuchen sie das einfach unter der Sparte ‚Ist das euer Ernst?!‘, sagt Max. Andererseits aber steckt für sie mehr dahinter: „Manchen Menschen ist gar nicht bewusst, dass es anders lebende Menschen gibt“, so Cristina, “Sie stecken in ihrer eigenen Blase fest“.
“Es gibt immer einen Weg, dazu beizutragen, dass sich etwas verändert“
Wir sind ein Paar, keine Außerirdischen
Dass es wichtig ist, sich für andere und sich selbst stark zu machen, damit haben beide schon Erfahrung. Kennengelernt haben sie sich vor zwei Jahren, als sie selbst ehrenamtlich unterwegs waren. Max tagte mit dem Selbsthilfe-Verein „Deutsche Gesellschaft für Osteogenesis imperfecta“ in Duderstadt und Cristina unterstützte dort als Kinderbetreuerin. Einen waghalsigen Tanz von Max, viele Nachrichten, Telefonate und eine stundenlange Busfahrt später wurde aus der Freundschaft mehr. Für beide stand sofort fest: ganz gleich, ob Behinderung oder nicht, „wenn ich etwas für jemanden empfinde, dann zeige ich das auch.“
Engagement bei TikTok
Heute folgen ihnen bei TikTok 37.000 Abonnenten. Über 1.000 Menschen sind es bei Instagram und auch bei YouTube probieren sie sich aus. Was ihnen bei TikTok, der Plattform, die durch witzige Videoschnipsel und Musik-Choreos groß geworden ist, besonders gefällt: Aufklärung passiert quasi nebenbei. Denn auf ihrem Kanal machen sie dasselbe wie alle anderen – nur inklusiv gedacht.
Sie probieren neue Tanztrends aus oder kommentieren in ihren Clips schlagfertig Sprüche wie „Oh, ihr seid zusammen?“. Tausende Likes bekommen sie für ihre Videos und für Botschaften wie diese: „True fact: Wir sind ganz normale Menschen! Wir gehören in die Mitte der Gesellschaft, wie alle Menschen.“
Inklusion passiert, wenn wir miteinander reden
Ob Engagement vor Ort stattfindet, bei Tiktok oder Instagram – worauf es im Kern ankomme sei, dass tatsächlich ein Austausch stattfindet: „Menschen können nur mehr erfahren, wenn wir auch anfangen, miteinander zu reden“, sagen Cristina und Max. Seitdem sie ihre Kanäle gestartet haben, merken sie, wie sich die Nutzer*innen mehr mit ihnen befassen, erzählen sie. Auch Themen wie Sexualität oder Zukunftsplanung sind kein Tabu.
Der Brittlebonesking-Ansatz im Kontakt mit der Community: erstmal alles annehmen. „Wir wollen nicht mit erhobenem Zeigefinger antworten, auch wenn Fragen kommen, die leicht daneben sind“, sagt Max. Und Cristina ergänzt: „Wir sind der Meinung: Woher sollen die Menschen sonst ihr Wissen nehmen?“
Traut jungen Leuten etwas zu!
Bei ihren gemeinsamen Projekten war das Zutrauen sofort da: das wollen wir machen, das schaffen wir! Doch Max und Cristina kennen auch andere Reaktionen, wenn es um ihr Engagement geht – wie etwa ‚Du bist ja noch so jung, das kannst du noch nicht“.
Für Cristina eine Motivation, erst recht zu zeigen, dass man sich als junger Mensch engagieren kann. Sie appelliert aber auch: „Gebt jungen Leuten doch erstmal die Chance, sich zu beweisen!“ Viele, die Vorbehalte hatten, sind mittlerweile aber zurückgerudert, so Max: „Weil sie sehen: was wir anpacken, funktioniert.“
Raus aus der Blase: Probier' dich aus!
Allen, die noch zögern, ob sie sich engagieren wollen, wünschen sie den offenen Blick dafür, was Engagement alles sein kann. Und Unterstützung dabei, das herauszufinden: „Eine große Hilfe wäre, zu vermitteln, dass Ehrenamt in ganz verschiedene Richtungen gehen kann“, sagt Cristina.
Aus Diversität im eigenen Umfeld könne man nur lernen, ist ihre Botschaft. Mehr auf Menschen zuzugehen, sie aussprechen zu lassen, „auch wenn die Meinung zuerst nicht der eigenen entspricht“, war für Cristina eine der eindrücklichsten Erfahrungen im Engagement. Und für Max ist es der Blick über den eigenen ‚Glasteller‘, wie er sagt: „Ich habe gelernt, dass Inklusion nicht beim Thema Behinderung aufhört.“ „Probier dich aus!“, sagen sie.
„Ich hätte früher nie so offen geredet. Ich hätte mir nicht vorstellen können, mich einmal auf Social Media so laut für etwas einzusetzen“, sagt Cristina. Heute tun Max und Cristina das gemeinsam. Und immer mehr Menschen hören zu.