Reisetipps für Rollstuhlfahrer
Simone will reisen und die Welt entdecken. Wie das mit Rollstuhl funktioniert, darüber schreibt sie regelmäßig in einem eigenen Reise-Blog und auf Instagram. Mit ihren Fotos, Videos und Texten macht sie vielen anderen Rollstuhlfahrern Mut.
Die verspiegelte Sonnenbrille funkelt in Regenbogenfarben und Simone blickt fröhlich in die Kamera. Auf dem Schoß hält sie ein kleines Handtäschchen. „Fürs Handy und bisschen Lippenstift, das habe ich immer dabei“, erklärt die hübsche 27-Jährige und lacht. So sieht ein typisches Bild von der Bloggerin aus. Ausflüge machen, reisen, Sehenswürdigkeiten besuchen und Fotos schießen, das ist ihr Ding. „Das haben meine Eltern und ich schon immer gerne gemacht“, sagt die Stuttgarterin. Ein wichtiges Detail hat sich aber geändert. Vor etwa zehn Jahren hatte Simone nämlich eine Hirnblutung und sitzt seitdem im Rollstuhl. Auf ihr Lieblingshobby, das Reisen, wollte sie trotzdem nicht verzichten.
Anderen Rollstuhlfahrern Mut machen
Inzwischen hat Simone ihren eigenen Blog „Plane Spoken“ . Sie schreibt über Freizeitaktivitäten und das Reisen mit Rollstuhl, über Hindernisse auf der einen und die so wichtige Barrierefreiheit auf der anderen Seite. Als @plane.spoken postet sie auch auf Instagram Videos von Busfahrten und Flügen oder zeigt auf Fotos, was sie unterwegs erlebt. Bei ihren Abonnenten kommt das an: „Ich finde es so toll, dass Du unerfahrenen Rollstuhlfahrern Mut machst, auf Reisen zu gehen. Als Flugbegleiter kann ich wirklich sagen, wir sind super ausgebildet und auch ausgerüstet. Wir können super unterstützen, wenn man uns anleitet und wir haben auch einen Bordrollstuhl immer dabei, der durch die schmalen Gänge passt. Unsere Waschräume können wir auch situationsgerecht umbauen“, kommentiert einer. Es sind genau solche Infos, die Rollstuhlfahrer brauchen, um sich auf das Abenteuer Reisen einzulassen, ist Simone sicher. Sie möchte andere Menschen inspirieren und ihnen Spaß an einem aktiven Leben vermitteln.
Höhenflug beim Paragliding
Am liebsten erkundet Simone andere Länder und Städte auf eigene Faust, mit ihrer Assistenz oder ihren Eltern. Sie wagt sich in Speedboote, rollt auf Brücken über tiefe Schluchten oder spielt in Escape Rooms. „Ich liebe Action und Adrenalin“, sagt die quirlige Frau. Sogar Paragliding traute sie sich schon. „Das war spektakulär“, erzählt sie. In einer Art Seifenkiste saß sie, während ein Pilot den Gleitschirm steuerte.
Von solchen Abenteuern hätte sie lange nicht zu träumen gewagt. „Ich habe nach meiner Hirnblutung 30 Monate in der Reha verbracht, da ging es um ganz andere, existenzielle Dinge“, erinnert sich Simone. Oft sei sie sehr traurig gewesen, habe erst lernen müssen, sich an die körperlichen Einschränkungen und das Leben mit Rollstuhl zu gewöhnen. „Aber mit meinen Eltern habe ich schon damals kleine Ausflüge unternommen“, sagt die junge Frau. Mit dem Auto ging es in die Umgebung des Bodensees, manchmal bis in die Schweiz. „Das waren meine ersten kleinen Reiseerfahrungen und ich merkte, wie mobil ich tatsächlich sein kann.“
„Ich bin eine absolute Frohnatur.“
Simone sagt von sich selbst: „Ich bin eine absolute Frohnatur und versuche, das Leben immer positiv zu sehen.“ Und so erzählte sie in der Reha gerne anderen Patienten von ihren kleinen Trips. „Alle waren immer total interessiert und sagten, ich solle das doch aufschreiben“, erinnert sich Simone und: „Das ich so aktiv war, machte anderen Mut.“
Doch erst als sie beim Berufsbildungswerk eine Ausbildung als Fachpraktikerin für technisches Produktdesign machte, hatte sie ein Schlüsselerlebnis. Sie nahm an einem Projekt teil, zu dem eine Fernreise gehörte. „Ich bin tatsächlich nach China geflogen und diese Reise hat mir die Augen geöffnet.“
Eine Behinderung ist kein Grund, sich zu verstecken
Die 27-Jährige gibt offen zu: „Als Läuferin hatte ich Vorurteile, wenn es um Behinderung ging.“ Reisen, fliegen, selbstständig sein? Wie sollte das funktionieren, wenn man im Rollstuhl sitzt? Doch Simone traute sich, schob alle Vorbehalte und Bedenken beiseite. „Die Reise war perfekt organisiert“, sagt sie. Die Veranstalter hatten die Unterbringung und Freizeitangebote vorher auf Barrierefreiheit geprüft. So konnte Simone die Erfahrung in vollen Zügen genießen. Spätestens danach war für sie klar: „Nur weil man im Rollstuhl sitzt, muss man sich nicht verstecken.“
Rollstuhlfahrer sollten auf Reisen nichts dem Zufall überlassen
Vor rund zwei Jahren beschloss Simone, andere Menschen virtuell mit auf die Reise zu nehmen. Sie bloggt auf Deutsch und auf Englisch und gibt ihren Followern viele hilfreiche Tipps. „Jeder Rollstuhlfahrer ist anders, hat individuelle Bedürfnisse“, sagt sie und ergänzt: „Wir müssen unsere Reisen ganz genau planen.“ Vor jeder Zugfahrt und jedem Flug recherchiert sie im Internet, führt etliche Telefonate und schreibt E-Mails. So fragt sie ab, welche Sehenswürdigkeiten barrierefrei sind, welche Unterstützung es für sie gibt und, und, und. „Man muss einfach alles vorher anmelden, damit es reibungslos läuft“, sagt Simone und erzählt, dass Fluggesellschaften zum Beispiel abfragen, ob ein Rollstuhl benötigt wird.
Reiselust mit Hindernissen
Rund 21 % einer Gruppe von 370 befragten Menschen mit Behinderung hat angegeben, aufgrund von Barrieren an einer Reise gehindert zu werden. Die Aktion Mensch und das Marktforschungsinstitut ipsos haben ein Teilhabe-Panel aufgebaut, um Menschen mit Behinderung zu befragen und ihnen eine Stimme zu geben.
Im Netz verraten Rollstuhlfahrer ihre Reisetipps
Hemmungen, in ein Flugzeug zu steigen, hat Simone nicht mehr. Heute versucht sie andere für die Barrieren zu sensibilisieren, vor denen Menschen mit Behinderungen häufig stehen. Dabei macht sie ganz unterschiedliche Erfahrungen. „Teneriffa war super rollstuhlfreundlich – in Rhodos konnte ich aber nicht alles besichtigen“, sagt sie. Meist tauscht sie ihren schweren E-Rolli auf Reisen gegen einen schmaleren Schiebe-Rollstuhl. „Der ist leichter und unterwegs einfach praktischer“, sagt sie. So könnten ihr andere auch mal helfen. Darüber hinaus müsse man oft praktisch denken. „Manchmal improvisieren wir“, sagt sie und erinnert sich an eine Hoteldusche ohne Sitzgelegenheit. „Da haben wir einfach einen Plastikstuhl vom Balkon geholt und in die Dusche gestellt.“
Eine riesige Hilfe sind ihr bei der Reiseplanung andere Rollstuhlfahrer. „Der Algorithmus in den sozialen Netzwerken ist zumindest für mich ziemlich praktisch“, sagt Simone belustigt. Instagram, Facebook & Co. kennen die Interessen der Psychologiestudentin inzwischen bestens. Immer wieder wird sie so auf Rollstuhlfahrer und neue, barrierefreie Reiseziele aufmerksam. „Daher weiß ich zum Beispiel, dass es in Venedig eine Taxi-Gondel gibt, die auf Rollstuhlfahrer spezialisiert ist“, verrät Simone.
Als Bloggerin ist sie ein „Ordnungs-Freak“ und sie plant jeden Beitrag genau. „Meine Follower erwarten Regelmäßigkeit und häufig neue Posts“, weiß sie. Was sie sich für die Zukunft wünscht? Zum Beispiel mehr Repräsentation von Menschen mit Behinderung in den Medien. Manchmal schaue sie Reisereportagen im Fernsehen und denke: „Das würde ich auch gerne machen.“ Wer weiß, vielleicht kommt die Gelegenheit.