Vielfalt in Serien? Unbedingt!
Tabea und Marian sind leidenschaftliche Serienfans. In unserer neuen YouTube-Reihe "Serien mal anders" zeigen die beiden Geschwister, wie vielfältig und unterhaltsam Serien wären, wenn mehr Menschen mit Behinderung darin mitspielen würden. Aber wie sieht es in der Realität aus – wie vielfältig sind Serien heute wirklich? Darüber hat Tabea sich Gedanken gemacht und erzählt uns von Marians und ihren Erfahrungen.
Unser neuer Sport ist der Serienmarathon: Wir schlagen uns mit unseren Lieblingscharakteren durch die fiktiven Welten von Game of Thrones, sympathisieren mit Geiselnehmern bei „Haus des Geldes“ oder lassen mit unserer Lieblings-Sitcom gemütlich den Abend ausklingen. Zwei Stunden pro Tag verbringen wir im Durchschnitt auf Streaming-Plattform wie Amazon Prime, Netflix oder Sky – sogar auf der Fernbedienung findet sich mittlerweile ein Streaming-Button.
Vielfalt in unseren Lieblingsserien?
Doch wie sieht es eigentlich mit Vielfalt und Inklusion in unseren Lieblingsserien aus? Serien nehmen schließlich einen Großteil unseres Alltags und unserer Gespräche ein. Fühlen sich Menschen, die mit einer Behinderung leben, hier angemessen repräsentiert?
Bei Netflix fallen mir zwei Serien ein, in denen Menschen mit Behinderung eine Rolle spielen: In „Atypical“ geht es um Sam, einen jungen Mann im Autismusspektrum. Auch die Serie „Ein besonderes Leben“ stellt das Thema in den Vordergrund – die homosexuelle Hauptfigur Ryan hat Cerebralparese. Das war es aber auch schon wieder.
Mehr Vielfalt bitte!
Menschen mit Behinderung sind in den Medien generell immer noch unterrepräsentiert. Das ist wenig überraschend. Viel auffälliger ist: Wenn Menschen mit Behinderung gezeigt werden, dann steht fast immer ihre Behinderung im Vordergrund. Was absolut fehlt, ist eine selbstverständliche Darstellung und damit einhergehend eine natürliche Wahrnehmung von Behinderung, ohne abstempelnden Fokus. Stattdessen sehen die Zuschauer, die in ihrem Alltag häufig keinen Kontakt zu Menschen mit Behinderung haben, diese ausschließlich in Situationen, die ihnen wieder einen Sonderstatus zuschreiben.
Warum kann in einer Serie nicht einmal eine Hauptfigur nur einem Arm haben oder eine Person im Rollstuhl sitzen – ohne, dass die Behinderung thematisiert wird? Oder warum ist der Verkäufer in der Szene im Supermarkt nicht einfach mal jemand mit Down-Syndrom?
So könnte auf eine ganz natürliche Art Vielfalt in Film und Serie gezeigt werden. Behinderung muss sichtbarer werden, ohne selbst das Thema zu sein.
Game of Thrones macht es vor
Die Rolle des Tyrion in Game of Thrones, die von dem kleinwüchsigen Schauspieler Peter Dinklage gespielt wird, gilt als eine der vorbildlichsten Umsetzungen davon, wie Menschen mit Behinderung in Serien- oder Filmplots inkludiert werden können. Tyrions Kleinwüchsigkeit ist in der Serie meist Nebensache. Er ist, genau wie die vielen anderen Charaktere, vor allem an Machtkämpfen beteiligt und hat jede Menge Sex.
Der Behindertenrechtsaktivist Andrew Pulrang hat 2014 sogar den sogenannten „Tyrion-Test“ formuliert. Damit kann in Anlehnung an den bekannten Bechdel-Test beurteilt werden, wie klischeehaft Figuren mit Behinderung im Film dargestellt werden. Kriterien sind folgende:
- Mindestens eine Figur mit einer Behinderung kommt im signifikanten Handlungsstrang vor, ohne dass dabei die Behinderung im Fokus steht,
- die Behinderung ist realistisch abgebildet, das heißt, sie ist nicht mehr oder weniger „schwer“, als sie es im echten Leben wäre, und
- die Figur mit Behinderung ist sowohl „passiv“ als auch „aktiv“, bzw. sie hat auch für andere Figuren des Settings eine unterstützende Funktion, statt ausschließlich selbst unterstützt zu werden.
Diese drei Faktoren können ein gutes Hilfsmittel dafür sein, zukünftige Rollen von Menschen mit Behinderung in Film und Serie auf eine gelungene, gleichberechtigte und nicht klischeehafte Darstellung zu prüfen. Oder, um es mit den Worten meines Bruders Mari zu sagen: Zu überprüfen, ob die Behinderung der jeweiligen Figur im Film oder in der Serie einfach „agal“ (Maris Wort für „egal) ist. Denn das ist genau das, was wir uns für die Zukunft wünschen: Dass eine Behinderung einfach mal nur Nebensache ist!