Expertenforum „Digitale Welt: Neue Möglichkeiten der Teilhabe“

Wie kann Digitalisierung für mehr Inklusion sorgen?
Moderation: Katja Nellissen

Digitale Technologien bieten viele neue Möglichkeiten. So können sie teilhabeeingeschränkte Menschen dabei unterstützen, Barrieren zu überwinden und an der Gesellschaft teilzuhaben. Die Referenten des Expertenforums zeigten, welche Chancen sich für bestimmte Bevölkerungsgruppen durch jüngste technologische Entwicklungen bieten, zum Beispiel für Menschen mit geringer Mobilität oder Menschen mit Behinderung.

Impulsvortrag Dr. Bastian Pelka, Wissenschaftler, Sozialforschungsstelle und Fakultät für Rehabilitationswissenschaften, TU Dortmund

Die Teilnehmer und die Moderatorin Katja Nellissen schauen auf einen großen Bildschirm an der Wand. Dort wird ein youtube Video gezeigt.

Dr. Bastian Pelka stellte in seinem Impulsvortrag zwei Perspektiven auf die digitale Inklusion vor:

  1. Inklusion mit digitalen Medien
  2. Inklusion in digitalen Medien

„In der Informationsgesellschaft sind Medien und die Fähigkeit, mit diesen umzugehen, gleichbedeutend mit Teilhabe“, sagte Pelka. Er warf sodann die Frage auf, ob alle Menschen Vorteile von der Digitalisierung haben. „Nein“, lautete seine Antwort. „Ein Teil der Gesellschaft wird ausgeschlossen.“ Zum Beispiel ältere Menschen. 21 Prozent der Deutschen waren noch nie im Internet – sie sind nicht Teil der digitalen Welt.

Dennoch können digitale Medien Inklusion fördern. Sie haben das Potenzial, Menschen mit und ohne Behinderung einander anzunähern. Ein Beispiel dafür ist „Knoffit“, ein Nachschlagewerk für Wörter in Einfacher Sprache. Ein weiteres Beispiel ist die Internetseite Wheelmap.org, eine Online-Karte zum Suchen, Finden und Markieren von rollstuhlgerechten Orten. Außerdem bieten digitale Medien die Möglichkeit zum kulturellen Selbstausdruck und zur Entfaltung der eigenen Kreativität. „Digitale Hilfsmittel, zum Beispiel Smartphones und Tablets“, so Pelka, „können als ,Teilhabemaschinen’ betrachtet werden.“

Allerdings nannte Pelka auch Risiken in der Digitalisierung. Das Hauptrisiko sieht er in einer gesellschaftlichen Kluft, die Onliner und Offliner voneinander trennt. Erstere ziehen Nutzen aus der Digitalisierung. Letztere werden gesellschaftlich abgehängt. Gesellschaftliche Teilhabe funktioniert mehr und mehr über digitale Medien. Dadurch können neue Barrieren entstehen – zum Beispiel für Menschen, die technisch nicht gut ausgestattet sind.

Aufgabe von Kommunen, Trägern der Sozialen Arbeit und Wohlfahrts-Organisationen ist es deshalb, die Menschen fit zu machen für die digitale Welt. Stichwort: Empowerment für die digitale Gesellschaft. „Die Aufklärung über Chancen und Risiken der digitalen Teilhabe sollte wichtiger Bestandteil der Aus- und Weiterbildung in sozialen Berufen sein“, regte Bastian Pelka an.

Benjamin Freese, Leitung PIKSL Labor, Düsseldorf

Benjamin Freese und Elisabeth Hermanns präsentierten in ihrem Vortrag die Arbeit von PIKSL. PIKSL steht für „Personenzentrierte Interaktion und Kommunikation für mehr Selbstbestimmung im Leben“.

Das sogenannte PIKSL Labor hilft Menschen mit kognitiven Einschränkungen, Zugang zu digitalen Medien zu bekommen. PIKSL bietet Computer-Einsteigerkurse an, zum Beispiel in Wohnheimen für Menschen mit Behinderung. Im Projektraum PIKSL Labor werden die Bedürfnisse von Menschen mit kognitiven Einschränkungen ermittelt und nach Lösungen gesucht. „Wichtig ist dabei“, so Freese, „die Menschen zu fragen, was sie denn wirklich brauchen.“ Eine Barriere, die im Umgang mit digitalen Medien oft besteht, ist die geschriebene Sprache. Entweder weil Menschen nicht lesen und schreiben können oder weil die Sprache zu schwierig ist.

Das Projekt PIKSL Labor bringt Menschen mit und ohne Behinderung zusammen, um innovative Ideen durch Inklusion zu verwirklichen.

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Manouchehr Shamsrizi, Geschäftsführer der Firma RetroBrain R&D UG, Hamburg

Manouchehr Shamsrizi sprach in seinem Beitrag über Krankheits-Prävention durch digitale Medien. Die Firma RetroBrain R&D hat ein therapeutisches Videospiel namens „MemoreBox“ entwickelt. Dieses Spiel soll dabei helfen, das Fortschreiten einer Demenz-Erkrankung zu verlangsamen. Durch das Spiel werden Kraft und Gleichgewicht sowie Gedächtnis und Aufmerksamkeit trainiert.

Shamsrizi vertrat die Überzeugung, dass Teilhabe an der Digitalisierung besonders dort gelingen kann, wo man starke Partner hat. Deshalb ist es wichtig, „Stakeholder“ mit an Bord zu holen, zum Beispiel Angehörige. „Digitalisierung ist eine Kulturtechnik, vergleichbar mit dem Buchdruck“, so Shamsrizi. „Jedes Mal, wenn diese neuen Kulturtechniken aufkamen, konnten wir dadurch mehr Menschen erreichen.“ Durch die Digitalisierung können mehr Menschen selbstbestimmt an Entscheidungsprozessen teilnehmen. Alle Sozialräume werden in Zukunft digitaler, zum Beispiel Bildung, Gesundheit und das Zusammenleben in Städten.

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Astrid Aupperle, Leiterin „Gesellschaftliches Engagement“ bei Microsoft Deutschland, Berlin

Astrid Aupperle, Microsoft Deutschland, stellte konkrete Beispiele für digitale Hilfsmittel vor, die bei verschiedenen Beeinträchtigungen im Alltag helfen sollen. Zum Beispiel bei Sehbehinderungen, Gehörlosigkeit oder motorischen Behinderungen. Die App „Seeing AI“ etwa hilft im Falle einer Beeinträchtigung des Sehvermögens, die Umgebung wahrzunehmen. Dabei erfasst die App die Umgebung mittels Fotos und beschreibt sie dann in Audioform. Auch intelligente Geräte wie die „Emma Watch“ zählen hierzu. Dies ist eine Art Armband, das das bei Parkinson-Patienten typische Zittern durch Gegensteuern ausgleicht.

Diskussion mit dem Publikum

Einhellige Expertenmeinung: Es ist sehr wichtig, Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung in den Entwicklungsprozess der Digitalisierung einzubinden. Man muss immer wieder die Frage stellen: „Was brauchen die Menschen mit Behinderung wirklich?“

Wichtiger noch als die Ausstattung mit der digitalen Hardware ist die Überzeugung: Die Digitalisierung beginnt in den Köpfen von Entscheidungsträgern! Hier muss also die Bewusstseinsbildung beginnen, um die positiven Potenziale der Digitalisierung für die Inklusion nutzen zu können.

Anmerkung aus dem Publikum:
„In der Arbeit mit Menschen ist man nicht immer nur professionell, sondern auch Mensch.“ Viele Fachkräfte in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung fühlen sich durch zusätzliche Anforderungen überfordert oder haben zum Teil auch Angst davor, dass die eigene Arbeit überflüssig wird oder nicht mehr genug Wertschätzung erfährt.

Deshalb ist es wichtig, die Fachkräfte in den Veränderungsprozess der Digitalisierung mit einzubinden und Schulungen für sie anzubieten.