Expertenforum: „Innovative Modelle: Engagement und Dienstleistungen im digitalen Zeitalter“

Können neue digitale Entwicklungen dabei helfen, mehr Teilhabe möglich zu machen?
Moderation: Katja Nellison

Durch das Internet können wir uns heute mit Menschen auf der ganzen Welt austauschen. Das ist auch vorteilhaft für die unmittelbare Vernetzung vor Ort. Denn wenn sich Online- und Offline-Abläufe produktiv ergänzen, entwickelt sich langfristig der Sozialraum weiter. Anhand von drei Beispielen zeigten die Referenten, wie altbewährte Modelle aus den Bereichen Gesundheit und Soziales sinnvoll um digitale Technologien ergänzt werden.

Impulsvortrag: Prof. Dr. phil. Michael Vilain,

Geschäftsführender Direktor des Instituts für Zukunftsfragen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft (IZGS), Evangelische Hochschule Darmstadt
Katja Nellissen im Gespräch mit ao Prof. Dr.-Ing. Sabine Hopp, Alexander Fischer, Michael Vollmann und Prof. Dr. phil. Michael Vilain. Eine Schrifdolmetscherin übersetzt

Prof. Dr. Michael Vilain warf in seinem Impulsvortrag die Frage auf, wie es für Menschen mit Unterstützungsbedarf möglich sein kann, weitgehend eigenständig und selbstbestimmt zu leben. Zu den Menschen mit Unterstützungsbedarf zählte er dabei ältere Menschen, Menschen mit Behinderung und chronischen Krankheiten. Das Problem für diese Gruppen, so Vilain, besteht oft darin, dass ihre gewohnten Netzwerke zunehmend zerfallen, zum Beispiel Freundes- und Bekanntenkreise, Arbeits- und Nachbarschafts-Verhältnisse oder familiäre Strukturen.

Das bedeutet zugleich die Auflösung von gewohnten menschlichen Beziehungen. Die Konsequenzen daraus sind der Verlust von Teilhabe, Trost, Zuspruch sowie von Möglichkeiten der gemeinsamen Lösung von Problemen. Es stellt sich die Frage, ob professionelle Dienstleistungen, wie zum Beispiel Pflegedienste, diesen Verlust kompensieren können. Prof. Vilains Antwort: „Nur teilweise.“ Besonders in Hinblick auf sehr alte Menschen können staatliche Sozialpolitik, Dienstleistungen oder freiwilliges Engagement die entfallenen sozialen Netzwerke nur eingeschränkt ersetzen.

Eine Lösung dieser Problematik sieht Prof. Vilain in der Verbindung von realer und digitaler Welt. Wichtig ist es, die Bedürfnisse der jeweiligen Menschen zu ermitteln und dann in Zusammenarbeit mit noch bestehenden Netzwerken und kommunalen Diensten, Wohlfahrtsverbänden, ehrenamtlichen Helfern etc. Lösungswege zu finden. Der Einsatz moderner Technologien kann dabei sehr wichtig und hilfreich sein. Beispielsweise die Nutzung von Tablet-Computern, personalisierten Apps oder digitalen Vernetzungs-Plattformen (zum Beispiel Crowd-Working- und Crowd-Voting-Plattformen). Wichtig ist dabei, dass es sich zunächst um niederschwellige digitale Angebote handelt. Durch den Einsatz von neuen Technologien entstehen auch neue Formen des Engagements, beispielsweise die der ehrenamtlichen Skype-Berater.

a.o. Prof. Dr.-Ing. Sabine Hopp, Leiterin Smart und Inklusive City, TU Darmstadt

Prof. Sabine Hopp stellte in ihrem Vortrag das Projekt „Smart und Inklusive City (SuIC)“ des Fachbereichs Architektur an der Universität Darmstadt vor. Dabei handelt es sich um ein mehrjähriges Forschungsprojekt, das sich der inklusiven Konzeption und Gestaltung des öffentlichen Raums widmet. Im Fokus steht die Verknüpfung von urbanen und gesellschaftlichen Fragestellungen. Also die Frage, wie öffentlicher Raum (Plätze, Parks, Spielplätze oder öffentliche Gebäude) inklusiv geplant und bebaut werden kann, damit sich Menschen darin wohlfühlen. „Der technische Ansatz (Smart City) spielt im Projekt eine entscheidende Rolle“, so Hopp. Beispielsweise der Einsatz von digital gestützten Leitsystemen unter anderem für Menschen mit kognitiven, visuellen, sensorischen, akustischen und motorischen Einschränkungen sowie Senioren.

Wichtig ist auch der inklusive planerische Ansatz des Projekts. So gibt es zum Beispiel Seminare, an denen Senioren, Menschen mit Behinderung, Kinder, Jugendliche sowie Menschen anderer Kulturkreise und Sprachen teilnehmen. Auch das Mitwirken von interessierten Bürgern sowie deren Mitgestaltung von öffentlichen Räumen ist Teil des Projekts.

Michael Vollmann, Geschäftsführer nebenan.de, Berlin

Michael Vollmann steht am Pult und hält seinen Vortrag. Diverse Gäste sitzen neben ihm.

Michael Vollmann sprach über „nebenan.de“, eine soziale Internet-Plattform zur Vernetzung von Nachbarn. Ähnlich wie Facebook im Bereich „Freunde und Bekannte“ oder Xing im Bereich „Berufliche Kontakte“ möchte nebenan.de im lokalen Bereich „Nachbarschaft“ Menschen miteinander verbinden.

Ausgangspunkt war für die Gründer von nebenan.de die Beobachtung, dass sich viele lokale Strukturen, zum Beispiel Familien, Vereine, Kirche, immer stärker auflösen. „Das führt zu Vereinsamung, Vorurteilen und Angst“, so Vollmann. nebenan.de versteht sich als digitales Werkzeug, das diesem Trend entgegenwirken und Nachbarn auch in der realen Welt miteinander in Kontakt bringen kann. „Aus Fremden sollen Nachbarn werden“, sagte Vollmann. Die User nutzen nebenan.de für viele verschiedene Anliegen, zum Beispiel für Nachbarschaftshilfe, Teilen von Werkzeugen oder Gebrauchsgegenständen, Empfehlungen, Sicherheit, Bürgerbeteiligung.

Dabei verfolgt nebenan.de einen stark inklusiven Ansatz, denn die soziale Internet-Plattform ist schichten-, alters-, und herkunftsübergreifend. Auch die Frage, ob jemand eine Behinderung hat oder nicht, spielt keine Rolle.

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Alexander Fischer, Projektleiter von Gesundheit für Billstedt/Horn UG, Hamburg

Alexander Fischer berichtete vom Hamburger Projekt „Gesundheit für Billstedt/Horn“. Ziel des Projekts ist es, die Gesundheitschancen in den Hamburger Stadtteilen Billstedt und Horn zu verbessern. In diesen beiden Stadtteilen leben überdurchschnittlich viele Menschen mit niedrigem Einkommen und überdurchschnittlich viele alleinerziehende Eltern. Erkrankungen treten in Billstedt und Horn häufiger und etwa zehn Jahre früher auf als in anderen Stadtteilen. Gleichzeitig gibt es aber weniger Ärzte als in anderen Stadtteilen. Das Projekt hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, die Versorgungssituation und die Gesundheit der Menschen in Billstedt und Horn zu verbessern.

Wichtiger Bestandteil des Projekts ist der „Gesundheitskiosk“. Dort finden intensive gesundheitliche Beratungsgespräche und eine gesundheitliche Aufklärung für die Bewohner der Stadtteile statt. Die beratenden Mitarbeiter sprechen insgesamt acht Sprachen. Der Gesundheitskiosk bietet ein umfangreiches Kursangebot zur Krankheitsprävention – zum Beispiel Reha-Sportgruppen, Kurse zur gesunden Ernährung und zur Raucherentwöhnung sowie ein Diabetes-Café.

Eine tragende Säule des Projekts ist außerdem die digitale Vernetzung von Ärzten und Patienten. So können Patienten beispielsweise mit der AppLife Time“ ihre Gesundheitsdaten und medizinischen Dokumente auf dem Smartphone immer mit sich führen. Das ermöglicht einen problemlosen Austausch von Daten und Dokumenten zwischen Patienten und Ärzten. Eine digitale Verwaltung der Patientendaten erleichtert zudem den Informationsaustausch zwischen verschiedenen Ärzten und Krankenhäuser.

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Ergebnisse aus den Gesprächen

Das Expertenforum kam zu dem Resultat, dass zahlreiche digitale Entwicklungen bereits jetzt dabei helfen, mehr Teilhabe möglich zu machen.

Digitale Technologien sind aber immer nur ein Werkzeug. Es kommt auf die Bereitschaft der Menschen an, dieses Werkzeug zu nutzen.

Durch die Verbindung von realer und digitaler Welt ist dann auch ein Mehr an Teilhabe und echter Begegnung möglich.

Ergebnisse des Expertenforum Technologie Innovative Modelle als Graphic Recording